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Auch ein verjährter Pflichtteilsanspruch ist als Nachlassverbindlichkeit von der Erbschaftsteuer abzuziehen

Das FG Schleswig-Holstein hat mit Datum vom 04.05.2016, Aktenzeichen 3 K 148/15, ent­schieden, dass ein Alleinerbe nach dem Tod des verpflichteten Erblassers seinen nun gegen sich selbst gerichteten Pflichtteilsanspruch auch noch geltend machen und als Nach­lass­verbindlichkeit vom Erwerb abziehen kann, wenn der Anspruch bereits verjährt ist.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Vater und die Mutter des Klägers hatten ein notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet, worin sie sich gegen­seitig zu Alleinerben und den Sohn zum Erben des Über­le­ben­den einsetzten. Zuerst verstarb der Vater, dann die Mutter. Der Sohn beerbte die Mutter. In seiner Erbschaftsteuererklärung setzte er als Nachlassverbindlichkeit seinen eigenen Pflicht­teils­anspruch nach dem Tod des Vaters an. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer fest, ohne diesen Pflichtteilsanspruch zu berücksichtigen. Daraufhin erhob der Sohn Klage. Die Klage war erfolgreich.

Das FG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass das Finanzamt im vorliegenden Fall zu Unrecht den als Nachlassverbindlichkeit geltend gemachten Pflichtteilsanspruch bei der Erbschaft­steuer­festsetzung nicht steuermindernd berücksichtigt hat. Für die Abziehbarkeit von Pflichtteilsansprüchen als Nachlass­ver­bind­lich­keit gilt Folgendes:

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erwerb des Erben die vom Erblasser her­rüh­renden persönlichen Verbindlichkeiten als Nachlass­ver­bind­lich­keiten abzuziehen. Das sind die Verbindlichkeiten, die gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 AO im Rahmen der Rechts­nachfolge auf den Erben übergehen. Der Abzug setzt voraus, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen und im Regel­fall den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belasten. Mit dem zusätzlichen Erfordernis der wirtschaftlichen Belastung weicht das Erbschaftsteuerrecht somit vom Zivilrecht ab.

§ 10 Satz 2 ErbStG beinhaltet, dass gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG auch Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflicht­teilen gemäß §§ 2303 ff BGB zu den abzugsfähigen Nach­lass­ver­bind­lichkeiten gehören. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt ein Pflichtteilsanspruch jedoch erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er auch geltend gemacht wird. Dies ist Voraus­setzung für die Abziehbarkeit.

Unter Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches versteht man das ernstliche Verlangen auf Erfüllung des Anspruches gegen­über dem Erben. Es muss eine Bekundung des Pflichtteils­berechtigten in geeigneter Weise stattfinden, aus der ersichtlich ist, dass er die Erfüllung seines Pflichtteilsanspruches verlangt. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG entsteht die Erbschaftsteuer für den Erwerb des Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wirkt die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gegenüber dem Erben zurück, also auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Es handelt sich somit um ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Die Verbindlichkeit geht zivilrechtlich auf den Erben über, wenn der Pflichtteilsverpflichtete vor der Erfüllung des Pflicht­teils­anspruches verstirbt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Anspruch vorher geltend gemacht wurde gemäß §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB. Abweichend vom Zivilrecht stellt die Pflicht, den Pflichtteil zahlen zu müssen, nur eine vom Erblasser her­rüh­rende Schuld und somit eine abziehbare Nachlassverbindlichkeit dar, wenn der Berechtigte diesen Anspruch zu Lebzeiten des Verpflichteten geltend gemacht hatte oder ihn nun geltend macht. Geschieht dies vor Verjährung des Pflichtteils­anspruches, gilt der Pflichtteilsanspruch als Erwerb des Pflicht­teils­berechtigten von Todes wegen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Somit ist eine Abziehbarkeit als Nachlassverbindlichkeit des Pflichtteilsanspruches gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 in Ver­bindung mit Abs. 5 Nr. 1 ErnStG möglich.

Herauszustellen ist, dass der Pflichtteilsanspruch zwar zivil­rechtlich verjährt ist, der Anspruch jedoch nicht untergegangen ist. Die verjährte Forderung ist voll wirksam und kann auch eingeklagt werden, es besteht nur die Möglichkeit durch den Erben die Einrede der Verjährung zu erklären, so dass der Anspruch nicht durchsetzbar ist. Somit ist der Pflicht­teils­anspruch erbschaftsteuerrechtlich nicht erloschen.

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Berliner Testament: Steuerpflicht bei testamentarisch angeordneter Verzinsung eines Vermächtnisses

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 22/16, Pressemitteilung vom 09.03.2016, Urteil vom 20.10.2015

Aktenzeichen VIII R 40/13

Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte können sich bei einem Berliner Testament auch aus einer testamentarisch angeordneten Ver­zin­sung eines Vermächtnisanspruchs er­ge­ben, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20. Oktober 2015 VIII R 40/13 entschieden hat.

Im Streitfall hatten Ehegatten ein Berliner Testament errichtet. Der Längerlebende sollte nach dem Tode des ersten Ehegatten Alleinerbe werden. Die Ehegatten setzten dem Sohn nach dem ersten Erbfall als Vermächtnis einen Geldbetrag in Höhe des „beim Tode des Erstversterbenden geltenden Freibetrages“ bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer aus. Dieser Betrag sollte aber erst fünf Jahre nach dem Tode des zuerst Versterbenden fällig werden. Der auszuzahlende Geldbetrag war mit 5 % bis zur Auszahlung zu verzinsen. Der Vater verstarb im Jahr 2001. Alleinerbin wurde die Mutter. Der Sohn forderte den fälligen Vermächtnisbetrag samt Zinsen von seiner Mutter bei Fälligkeit im Jahr 2006 nicht ein. Im Folgejahr verzichtete er auf seinen Geldanspruch aus dem Vermächtnis samt Zinsen.

Der BFH sieht die Zinsen aufgrund des Vermächtnisses als einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Es liege ein sog. betagtes Vermächtnis vor, das bereits mit dem Tode des Vaters im Jahr 2001 entstanden, aber erst fünf Jahre danach im Streitjahr 2006 fällig geworden sei. Zinsen, die auf einer testamentarisch angeordneten Verzinsung eines betagten Vermächtnisanspruchs beruhen, sind beim Vermächtnisnehmer gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes steuerpflichtig.

Gleichwohl entschied der BFH im Streitfall zugunsten des Sohns. Weder seien ihm im Streitjahr Zinsen gezahlt worden noch stehe einer Auszahlung gleich, dass der Sohn es unterlassen habe, den fälligen Zinsanspruch gegenüber seiner Mutter geltend zu machen.

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Unklare Datierung eines Testaments kann zu dessen Ungültigkeit führen

Das OLG Schleswig hat mit Datum vom16.07.2015, Aktenzeichen 3 Wx 53/15, ent­schie­den, dass § 2247 Abs. 5 BGB entsprechend für den Fall anwendbar ist, wenn Unklarheit darüber besteht, wann der Erblasser ein Testament datiert hat, weil sich die Jahresangabe nicht sicher feststellen lässt.

Die Folge ist, dass das Testament ungültig ist, wenn die Möglichkeit bestehen bleibt, dass es zeitlich vor einem weiteren Testament mit vollständigen Datumsangaben errichtet worden ist.

Gemäß § 2247 Abs. 2 BGB soll der Erblasser in seiner letzt­willigen Verfügung angeben, zu welcher Zeit und an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat. Es handelt sich hierbei jedoch um eine Sollvorschrift, nicht um eine Mussvorschrift. Dies bedeutet, dass auch bei Fehlen einer Zeitangabe das Testament gültig bleibt.

Jedoch liegt ein Fall des § 2247 Abs. 5 BGB vor, wenn es gerade auf den Errichtungszeitpunkt ankommt, weil der Erblasser ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr testierfähig war oder weil mehrere Testamente vorliegen, bei denen es entscheidend ist, welche das später verfasste Testament ist. Explizit ist diese Vorschrift nur für den Fall anzuwenden, wenn das Testament keine Angaben über den Zeitpunkt enthält, wann es errichtet wurde. Es hat jedoch eine erweiternde Auslegung dahingehend stattzufinden, dass die oben genannte Regelung des § 2247 Abs. 5 BGB auch dann anwendbar ist, wenn das Testament ungenaue Zeitangaben enthält und sich hieraus Zweifel über die Gültigkeit des Testaments ergeben.

Eine Unwirksamkeit des Testaments aufgrund einer fehlenden Ortsangabe ist nur dann gegeben, wenn sich gerade aus dem Fehlen Zweifel an der Gültigkeit des Testaments ergeben. Dies ist im § 2247 Abs. 5 Satz 2 BGB geregelt. Solche Zweifel werden insbesondere bei im Ausland errichteten Testamenten diskutiert.

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Eröffnungsgebot von Verfügungen von Todes wegen

Das OLG Frankfurt am Main hat mit Datum vom 29.07.2014, Aktenzeichen 20 W 26/14, ent­schie­den, dass das Nachlassgericht nach § 348 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Verpflichtung hat, eine in seiner Verwahrung befindliche Verfügung von Todes wegen zu eröffnen, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt.

Hierunter fallen alle letztwilligen Verfügungen, die zu den Akten des Nachlassgerichts gelangt sind. Dies gilt unabhängig davon, ob das äußere Erscheinungsbild untypisch ist, wie beispielsweise bei einem Brief.

Die EU-ErbVO gilt für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark.

Zur Vermeidung überflüssiger Eröffnungen bei Unklarheit da­rüber, ob der Erblasser Testierwillen hatte und ein Schriftstück daher eine letztwillige Verfügung enthält, darf eine äußerst begrenzte summarische Vorprüfung erfolgen, da die Eröffnung den Beteiligten die Prüfung der Wirksamkeit und des Inhalts der Verfügung erst ermöglichen soll.

Das Eröffnungsverfahren soll frei von materiell-rechtlichen Fragen gehalten werden. Diese sind dem Erbscheins- oder Prozessverfahren vorbehalten. Bereits die bloße, wenn auch nur entfernte Möglichkeit einer Testamentseigenschaft ist dabei ausreichend. Im Zweifel muss das Schriftstück eröffnet werden.

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Testierunfähigkeit bei vaskulärer Demenz in Verbindung mit Testamentsanfechtung wechselbezüglicher Verfügungen

Das OLG Bamberg hat mit Beschluss vom 22.05.2015, Aktenzeichen 4 W 16/14, entschieden, dass auch bei nachgewiesener Testierunfähigkeit der Erblasser kein eigenes Anfechtungsrecht entsprechend § 2282 Abs. 2 BGB hinsichtlich eigener nicht wechselbezüglicher Verfügungen hat.

Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der verwitwete kinderlose Erblasser war im Alter von 89 Jahren verstorben. Seine Ehefrau war bereits 3 Jahre zuvor verstorben. Die Beteiligte zu 1) und Beschwerdeführerin ist die Adoptivtochter einer Schwester der vorverstorbenen Ehefrau. Der Beteiligte zu 3) ist Neffe der vorverstorbenen Ehefrau, die Beteiligte zu 2) ist die Ehefrau des Beteiligten zu 3).

Der Erblasser befand sich im Pflegeheim. Die Beschwerdeführerin war als Ersatzbetreuerin für den Erblasser eingesetzt worden. Hauptbetreuerin wurde mit gleichem Beschluss des Betreuungsgerichtes Würzburg die Adoptivmutter. Schlussendlich wurden beide Betreuerinnen entlassen und ein Berufsbetreuer bestellt.

Mit privatschriftlichem gemeinschaftlichem Testament vom 04.04.1989 hatten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. In einem weiteren handschriftlichen gemeinschaftlichen Testament vom 01.06.2005 bestimmten die Ehegatten als Schlusserben nach ihrem Ableben die Beteiligten zu 2) und 3). Es gab zwei weitere handschriftliche Testamente des Erblassers vom 27.05. 2007 und vom 28.06.2007, in welchen er jeweils die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin einsetzte. Im Nachlassverfahren der Ehefrau hat die anwaltliche Vertretung der Beschwerdeführerin mit Datum vom 27.02.2009 die Anfechtung der letztwilligen Verfügungen der Ehegatten namens und im Auftrag des Erblassers vom 01.06.2005 erklärt. Diese handelte als Ersatzbetreuerin. Mit Schriftsatz vom 29.06.2010 im Nachlassverfahren des Erblassers wurde von der Beschwerdeführerin die Anfechtung der letztwilligen Verfügungen vom 01.06.2005 erklärt. Sie beantragte die Erteilung eines Erbscheins aufgrund der beiden erstdatierten Testamente.

Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragten ebenfalls die Erteilung eines Erbscheines aufgrund des Testamentes vom 01.06.2005.

Das Nachlassgericht Würzburg hat mit Beschluss vom 18.10.2013 den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen, dem Antrag der Beteiligten zu 2) und 3) stattgegeben. Auf die Wirksamkeit der Anfechtungserklärung komme es nicht an, da hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung keine wechselbezügliche Verfügung vorliege. Somit sei eine freie Abänderung möglich gewesen. Aufgrund Testierunfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Abfassung der Testamente vom 27.05.2007 und 28.06.2007 seien diese nicht heranzuziehen. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt. Unter Vorlage eines Privatgutachtens erklärte sie, dass das Erstgericht zu Unrecht von einer Testierunfähigkeit des Erblassers ausgegangen sei. Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 17.02.2014 der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Senat hat mit Beschluss vom 07.08.2014 dem Sachverständigen aufgegeben, sich schriftlich zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin und zu der Frage, ob weitere Aufklärungsansätze zur Frage der Testierfähigkeit gegeben sind, zu äußern. Hierauf fand eine ergänzende Stellungnahme vom 04.12.2014 statt, die Beschwerdeführerin nahm hierauf wiederum Stellung, aufgrund dessen ein Ergänzungsgutachten vom 08.04.2015 gefertigt wurde. Der Sachverständige blieb bei seiner Einschätzung der Testierunfähigkeit. Die Beschwerdeführerin beantragte die Einholung eines Obergutachtens.

Das gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 1, 3, 64 Abs. 1 FamFG zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Die Erbfolge ist anhand des Testamentes vom 01.06.2005 zu bestimmen. Auch der Senat geht von Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserstellung im Jahre 2007 aus. Die Anfechtungserklärungen vom 27.02.2009 und 29.06.2010 haben auch die Wirksamkeit des Testamentes zum 01.06.2005 nicht beseitigt. Im Jahr 2005 bestand auch keine Testierunfähigkeit des Erblassers. Der Senat bestätigte, dass das Erstgericht rechtsfehlerfrei nicht von einer Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 2) und 3) im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB ausgegangen ist. Die Schlusserbeneinsetzung war daher für den Erblasser auch nach dem Tod seiner Ehefrau frei abänderbar. Das Gericht stellt fest, dass der Erblasser bei Abfassung der Testamente vom 27.05.2007 und 28.06.2007 nicht testierfähig war. Testierunfähig ist insbesondere, wer nicht in der Lage ist, sich ein klares Urteil über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln. Der Senat war der Überzeugung, dass im Jahr 2007 eine vaskuläre Demenz in einer mittelgradigen bis schweren Ausprägung vorlag, so dass eine freie Willensbildung nicht mehr möglich war. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Wirksamkeit des Testamentes vom 01.06.2005 weder durch die Anfechtungserklärung vom 27.02.2009 noch durch Anfechtungserklärung vom 29.06.2010 beseitig worden ist. Bezüglich der Anfechtungserklärung vom 27.02.2009 ist auszuführen, dass ein eigenes Anfechtungsrecht bezüglich der eigenen einseitigen Verfügungen nicht besteht, da diese jederzeit nach § 2253 ff, 2299 BGB frei widerrufen werden können. Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) und 3) beim vorliegenden Fall ist jedoch nicht wechselbezüglich. Der Senat sieht die Anfechtung durch den Betreuer eines testierunfähigen überlebenden Ehegatten entsprechend § 2282 Abs. 2 BGB nicht als möglich an. Der Gesetzesgeber hat deutlich die Anfechtung eines Testamentes auf den Kreis der in § 2080 Abs. 1 BGB genannten Anfechtungsberechtigten beschränkt. Unabhängig hiervon müsste eine Genehmigung durchs Betreuungsgericht des eingeholt werden. Dies ist nicht der Fall, ebenso fehlt es an der erforderlichen notariellen Beurkundung gem. § 2282 Abs. 3 BGB.

Die Anfechtungserklärung vom 29.06.2010 ist ebenfalls unwirksam, da der Beschwerdeführerin kein Anfechtungsrecht zusteht gem. § 2080 Abs. 1 BGB.

Thematische Ergänzung: Was ist gegenüber Versicherungen bei Erkrankung an einer Demenz zu beachten?

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Zum anzusetzenden Wert einer Miteigentumshälfte an einem Hausgrundstück bei Pflichtteilsberechnung

Der BGH hat mit Urteil vom 13.05.2015, Akten­zeichen IV ZR 138/14, entschieden, dass der im Rahmen eines Pflichtteilsanspruches zu be­stim­mende Wert einer nachlassgegenständlichen Mit­eigen­tums­hälfte an einem Haus­grundstück dem hälftigen Wert des Gesamtobjektes dann ent­spricht, wenn der Alleinerbe bereits Eigentümer der anderen ideellen Mit­eigentumshälfte ist.

Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche der Klägerin. Insbesondere ging es hier um die Bewertung eines Mit­eigen­tumsanteiles an einem Hausgrundstück.

Die Erblasserin verstarb im Mai 2006, die Klägerin war ihr ein­ziges Kind. Die Erblasserin war geschieden und lebte seit 1998 mit dem Beklagten zusammen. Diese erwarben ein Reihenhaus als Miteigentümer je zur ideellen Hälfte, welches sie in der Folge auch gemeinsam bewohnten. Der Grundstückskaufvertrag da­tier­te von Oktober 1990 mit einem Kaufpreis von 235.000,00 DM. Gemäß notariellem Testament der Erblasserin vom April 2001 setzte sie den Beklagten als Alleinerben ein.

Die Klägerin erhob Stufenklage. In der Berufungsinstanz haben die Parteien die erste Stufe der Klage auf Auskunft über­ein­stimmend für erledigt erklärt. Auf der zweiten Stufe verlangte die Klägerin Zahlung von 41.202,21 € nebst Zinsen. Das LG Kiel hat mit Datum vom 05.04.2013, Aktenzeichen 2 O 24/12, nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Verkehrswert des Hausgrundstückes durch Schlussurteil entschieden, den Be­klag­ten zur Zahlung von 11.193,12 € nebst Zinsen zu ver­ur­tei­len und die Klage im Übrigen abzuweisen.

Der Beklagte legte Berufung ein. Das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 01.04.2014, Aktenzeichen 3 U 38/13, das Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten zur Zahlung von 7.693,12 € nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen wurde die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen legte der Beklagte Revision ein, die Abweisung der gesamten Klage wurde angestrebt.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass jedenfalls dann, wenn wie vorliegend der Erbe der ideellen Miteigentumshälfte an dem Hausgrundstück bereits Eigentümer der anderen Mit­eigen­tums­hälfte sei und mit dem Erbfall Alleineigentümer des Haus­grundstückes werde, der im Rahmen eines Pflicht­teils­anspruches zu bestimmende Wert einer nachlassgegenständlichen Mit­eigen­tums­hälfte in der Regel dem hälftigen Wert des Gesamtobjekts entsprechen würde. Dies war von dem Beklagten gerügt worden, der vortrug, dass der Miteigentumsanteil an dem Haus­grund­stück nur schwer zu verkaufen und daher mit einem deutlichen Abschlag anzusetzen sei. Diese Auffassung hielt der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass in einem solchen Fall, dass der Alleinerbe bereits Eigentümer der anderen ideellen Miteigentumshälfte ist, der Wert einer nachlassgegenständlichen Miteigentumshälfte an einem Hausgrundstück dem hälftigen Wert des Gesamtobjektes entspricht. Der Pflichtteilsberechtigte hat nach § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils. § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB stellt auf den Bestand und den Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalles ab. Der Pflichtteilsberechtigte ist wirtschaftlich so zu stellen, als sei der Nachlass beim Tod des Erblassers in Geld umgesetzt worden. Die Ermittlung des Verkaufswertes zum Stichtag besagt, dass die für den Verkaufswert maßgebenden Bewertungsdaten aus der Sicht des Stichtages zu ermitteln sind, das heißt, welcher Verkaufserlös der Nachlass am Tag des Erbfalles tatsächlich erbracht hätte, ist als Wert anzusetzen. Ein bereits erzielter Verkaufserlös der Erben ist ebenfalls zu berücksichtigen.

Fehlt es an einem Verkauf, muss der Wert gemäß § 2311 Abs. 2 Satz 1 BGB geschätzt werden. Die sachgerechte Auswahl obliegt dem Tatrichter. Die Literatur vertritt überwiegend hingegen die Meinung, dass dann, wenn ein halber Miteigentumsanteil einer vom anderen Miteigentümer eigengenutzten Immobilie in den Nachlass fällt, die Verkehrswertbestimmung des hälftigen Mit­eigentumsanteils besondere Schwierigkeiten bereite und es in aller Regel unzulässig sei, den halben Verkehrswert des Grund­stücks samt Gebäude anzusetzen, da die Möglichkeit, diesen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu veräußern, sehr gering ist. Ein deutlicher Abschlag sei daher vorzunehmen. Dies hat das Berufungsgericht für den vorliegenden Fall anders ent­schieden, da der Erbe bereits Eigentümer der anderen Mit­eigen­tumshälfte war. Ein Verkauf des Miteigentums an einer Immo­bilie ist in einem solchen Fall problemlos möglich. Gründe für einen Abschlag sind nicht ersichtlich.

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Möglichkeit der Bezugnahme auf maschinenschriftliches Testament

Das OLG Hamburg hat mit Datum vom 18.03.2015, Az. 2 W 5/15, entschieden, dass die Bezugnahme auf ein nicht in Testamentsform abgefasstes Schriftstück unschädlich ist, wenn es lediglich der näheren Erläuterung testamentarischer Bestimmungen dient.

Das maschinenschriftliche Testament ist formunwirksam. Jedoch wurde in einem später erstellten handschriftlichen Testament auf das maschinenschriftliche Testament Bezug genommen. Somit wurde vorliegend der Wille der Erblasserin ermittelt. Dies ge­schieht durch Tes­ta­ments­auslegung. Aufgabe der Tes­ta­ments­auslegung ist es, den u.U. verborgenen Sinn einer tes­ta­men­ta­rischen Verfügung zu ermitteln und zwar auch unter Heran­ziehung von Umständen außerhalb der Testamentsurkunde. Es handelt sich hier um eine Einzelfallentscheidung. Eine geringfügig andere Formulierung im Testament kann das Ergebnis ver­ändern. Eine sehr geringe Andeutung im Testament genügt.

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Katastrophenklausel bedeutet nicht zugleich Schlusserbeneinsetzung

Das OLG Jena hat mit Datum vom 23.02.2015, Aktenzeichen 6 W 516/14, beschlossen, dass es sich bei einer Verfügung in einem gemeinsamen Testament von Ehegatten, dass im Fall ihres gemeinsamen Todes ihre Kinder Erben sein sollen, nicht ohne weitere Anhaltspunkte um eine wechselbezügliche und damit bindende Schluss­erben­einset­zung nach den §§ 2269 Abs. 1, 2270 BGB zu Gunsten aller Kinder nach dem Tod des Letzt­ver­ster­ben­den handelt.

Der Letztversterbende kann somit nach dem Tod des erst­versterbenden Ehegatten frei von Todes wegen verfügen.

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Kein Testamentsvollstreckervermerk in der GmbH-Gesellschafterliste möglich

Der BGH hat mit Datum vom 20.02.2015, Az. II ZB 17/14, entschieden, dass ein Testaments­voll­strecker­vermerk nicht zu den gesetzlich vorgesehenen Angaben in der Gesellschafterliste gem. § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG gehört. Dies stellt somit eine unzulässige Angabe dar. Das Registergericht darf über­prüfen, ob die Gesellschafterliste den formalen Anforderungen des § 40 GmbHG entspricht. Bei Beanstandungen darf es die Ent­ge­gen­nahme verweigern.

Anderes ist jedoch bei einer KG vorzunehmen. Auf Antrag des Testamentsvollstreckers ist ein Testamentsvollstreckervermerk in das Handelsregister einzutragen. Der BGH hat die Eint­ra­gungs­fähigkeit bei der KG damit begründet, dass während der Dauer der Testamentsvollstreckung der streitgegenständliche Geschäftsanteil nur den Nachlassgläubigern, nicht jedoch auch den Eigengläubigern des Gesellschaftererben als Haftungsmasse zur Verfügung steht.20

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Tod des Schlusserben vor dem Schlusserbfall bei einem gemeinschaftlichen Testament führt nicht automatisch zur Bindungswirkung bezüglich der Einsetzung des Ersatzerben

Das OLG München hat mit Datum vom 17.07.2013, Az: 3 O 4789/09 entschieden:
  1. Die Frage, ob eine Demenz leichtgradig, mittelschwer oder schwer ist, muss im Hinblick auf die 4 verschiedenen Dimensionen der Demenz (Gedächtnisleistungen, kognitive Leistungen, Fähigkeit zu vernünftigen Erwägungen, Form­barkeit) beurteilt werden.
  2. Eine mittelschwere Demenz vom Alzheimertypus ist den „krankhaften Störungen der Geistestätigkeit“ im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB zuzuordnen.
  3. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Person, die an Altersdemenz mittleren Grades mit Phasen der Ver­wirrtheit und Orientierungslosigkeit leidet, nicht wirksam testieren kann.
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