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Die Anordnung im Testament zur Klärung eines Streites über einen Pflichtteilsanspruch durch ein Schiedsgericht ist nicht möglich

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 16.03.2017 – I ZB 50/16
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a , § 1066

Der Streit über einen Pflichtteilsanspruch kann durch letztwillige Verfügung nicht der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterworfen werden.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München – 34. Zivilsenat – vom 25. April 2016 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 11.875 €.

Gründe

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A. Die Antragstellerin ist die Mutter der Antragsgegnerin. Der Ehemann der Antragstellerin und Vater der Antragsgegnerin ist am 25. Mai 2010 verstorben. Er hat mit notariellem Testament vom 8. April 2004 die Antragsgegnerin zur Alleinerbin bestimmt und die Antragstellerin mit einem Vermächtnis bedacht. Das Testament enthält folgende Anordnung: hatte, dass es die von der Antragsgegnerin erhobene Schiedseinrede – anders als das Landgericht – für durchgreifend erachte.

Über alle Streitigkeiten über dieses Testament und aus diesem Testament und darüber hinaus über die Erbfolge nach mir, über evtl. Pflichtteilsrechte und -ansprüche und über alle Fragen der Behandlung meines Nachlasses soll ausschließlich ein Schiedsgericht nach den Regeln des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs deutscher Notare entscheiden, dessen Statut ich als offene Schrift überreiche.
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Die Antragstellerin machte gegen die Antragsgegnerin zunächst vor den ordentlichen Gerichten im Wege der Stufenklage ihren Pflichtteilsanspruch geltend. Das Landgericht gab dem in der ersten Stufe erhobenen Auskunftsantrag durch Teilurteil statt. In zweiter Instanz nahm die Antragstellerin ihren Auskunftsantrag zurück, nachdem das Berufungsgericht sie darauf hingewiesen

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Die Antragstellerin machte gegen die Antragsgegnerin daraufhin mit ihrer beim Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare erhobenen Schiedsklage einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 11.875 € nebst Zinsen geltend.

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Nachdem die Antragsgegnerin erklärt hatte, dass sie die Kosten für das Schiedsverfahren und einen Rechtsanwalt nicht aufbringen könne, und die Antragstellerin eine Übernahme dieser Kosten abgelehnt hatte, setzte das Schiedsgericht der Antragsgegnerin eine Frist bis zum 23. Juni 2014 für den Nachweis, dass sie beim staatlichen Gericht die Feststellung der Undurchführbarkeit des Schiedsverfahrens beantragt habe. Die Antragsgegnerin stellte beim Berufungsgericht einen entsprechenden Antrag. Auf Anfrage des Schiedsgerichts wies das Berufungsgericht mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 darauf hin, dass in dem beendeten Berufungsverfahren eine Entscheidung über den Antrag auf Undurchführbarkeit des Schiedsverfahrens nicht veranlasst sei. Daraufhin ordnete das Schiedsgericht die Fortsetzung des Schiedsverfahrens an. Zugleich bestimmte es einen Gütetermin und für den Fall des Nichterscheinens einer Partei oder der Erfolglosigkeit der Güteverhandlung einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27. Januar 2015. In diesem Termin war die Antragsgegnerin nicht anwesend.

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Das Schiedsgericht verurteilte die Antragsgegnerin durch Schiedsspruch vom 27. Januar 2015 antragsgemäß zur Zahlung von 11.875 € nebst Zinsen. Zur Begründung führte es aus, dass auf der Grundlage des unstreitigen Vorbringens der Antragstellerin ein Pflichtteilsanspruch in der geltend gemachten Höhe bestehe und von der Antragsgegnerin als testamentarischer Alleinerbin zu erfüllen sei. Die Entscheidung enthielt den Hinweis, dass gegen diesen Schiedsspruch innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung (Notfrist) schriftlich oder per Telefax Einspruch bei der Geschäftsstelle des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare eingelegt werden könne. Den mit Telefax vom 5. März 2015 eingelegten Einspruch der Antragsgegnerin verwarf das Schiedsgericht unter gleichzeitiger Zurückweisung des vorsorglich gestellten Wiedereinsetzungsgesuchs mit Beschluss vom 8. Juli 2015 wegen Verfristung als unzulässig.

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Die Antragstellerin hat beantragt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Sie hat beantragt, den Antrag auf Vollstreckbarerklärung abzulehnen und den Schiedsspruch aufzuheben.

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Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs abgelehnt und den Schiedsspruch aufgehoben ( OLG München, Beschluss vom 25. April 2016 – 34 Sch 13/15 , SchiedsVZ 2016, 233). Es hat angenommen, es liege ein Verstoß gegen § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO (Fehlen der Schiedsfähigkeit) vor, weil der gesetzliche Pflichtteilsanspruch nicht durch einseitige Verfügung von Todes wegen dem Schiedsverfahren unterstellt werden könne. Zudem bestehe der Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO (Verstoß gegen den innerstaatlichen verfahrensrechtlichen ordre public), weil das Schiedsgericht die Bestimmung des § 1048 Abs. 3 ZPO über die Entscheidung bei Säumnis einer Partei nicht beachtet und dadurch den Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe.

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Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie ihren Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches weiterverfolgt. Die Antragsgegnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

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B. Die Rechtsbeschwerde ist von Gesetzes wegen statthaft ( § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 1065 Abs. 1 Satz 1 , § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO ) und auch sonst zulässig ( § 574 Abs. 2 , § 575 ZPO ). Sie ist aber nicht begründet. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Aufhebung des Schiedsspruchs mit Recht abgelehnt. Nach § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen, wenn einer der in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe vorliegt. Die Rechtsbeschwerde macht zwar zutreffend geltend, dass die Antragsgegnerin sich – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts – nicht mit Erfolg auf den Aufhebungsgrund des Fehlens der Schiedsfähigkeit ( § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO ) berufen kann (dazu B I). Das Oberlandesgericht hat jedoch ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Aufhebungsgrund des Verstoßes gegen den innerstaatlichen verfahrensrechtlichen ordre public ( § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO ) vorliegt (dazu B II).

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I. Die Rechtsbeschwerde macht mit Recht geltend, dass die Antragsgegnerin sich nicht mit Erfolg auf den Aufhebungsgrund des Fehlens der Schiedsfähigkeit ( § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO ) berufen kann. Das Oberlandesgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass ein Verstoß gegen § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO vorliegt, weil der Gegenstand des Streits nicht durch einseitige Verfügung von Todes wegen dem Schiedsverfahren unterstellt werden kann (dazu B I 1). Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts ist es der Antragsgegnerin jedoch nach Treu und Glauben verwehrt, sich im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs auf das Fehlen der Schiedsfähigkeit zu berufen (dazu B I 2).

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1. Das Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, dass ein Verstoß gegen § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO vorliegt, weil der Gegenstand des Streits – der von der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin erhobene Pflichtteilsanspruch – nicht durch einseitige Verfügung von Todes wegen dem Schiedsverfahren unterstellt werden kann.

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a) Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO kann ein Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn das Gericht feststellt, dass der Gegenstand des Streits nach deutschem Recht nicht schiedsfähig ist. Über einen nach deutschem Recht nicht schiedsfähigen Anspruch kann nur ein staatliches Gericht und nicht ein kraft privatautonomer Entscheidung bestimmtes Schiedsgericht entscheiden. Der Aufhebungsgrund der Schiedsunfähigkeit berührt öffentliche Belange und ist daher bei der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs von Amts wegen zu berücksichtigen. Er ist lex specialis im Verhältnis zum Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a ZPO und geht diesem daher in seinem Anwendungsbereich vor (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucks. 13/5274, S. 59; MünchKomm.ZPO/Münch, 4. Aufl. § 1059 Rn. 11; BeckOK ZPO/Wilske/Markert, 23. Edition, Stand: 01.12.2016, § 1059 Rn. 57; Saenger/Saenger, ZPO, 7. Aufl. § 1059 Rn. 22; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. § 1059 Rn. 24; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Kap. 25 Rn. 2296).

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b) Die Streitparteien können einen Streit über einen Pflichtteilsanspruch allerdings durch ein Schiedsgericht entscheiden lassen.

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aa) Nach § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann grundsätzlich jeder vermögensrechtliche Anspruch Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein.

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bb) Der Begriff des vermögensrechtlichen Anspruches ist weit zu verstehen und erfasst sowohl Ansprüche, die sich aus Vermögensrechten ableiten, als auch solche, die auf eine vermögenswerte Leistung abzielen (Saenger/ Saenger aaO § 1030 Rn. 2; Lange, ZZP 128 [2015] 407, 409). Zu den vermögensrechtlichen Ansprüchen im Sinne von § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO zählen auch Pflichtteilsansprüche ( § 2303 BGB ), mit denen eine gesetzliche Mindestteilhabe der Angehörigen des Erblassers am Nachlass gewährleistet wird (Dawirs, Das letztwillig angeordnete Schiedsverfahren – Gestaltungsmöglichkeiten, 2014, S. 52; Haas, ZEV 2007, 49, 53 mit Fn. 46).

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cc) Schiedsvereinbarung ist nach § 1029 Abs. 1 ZPO eine Vereinbarung der Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nichtvertraglicher Art entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen. Eine Schiedsvereinbarung kann nach § 1029 Abs. 2 ZPO in Form einer selbständigen Vereinbarung (Schiedsabrede) oder in Form einer Klausel in einem Vertrag (Schiedsklausel) geschlossen werden.

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dd) Danach können Pflichtteilsansprüche grundsätzlich Gegenstand einer zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten getroffenen Schiedsvereinbarung sein (Staudinger/Otte, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbemerkung zu §§ 1937-1941 Rn. 8a; Grötzsch in Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 4. Aufl., Kap. XIV Rn. 35).

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ee) Vorliegend soll die Befugnis des Schiedsgerichts für die Entscheidung über den zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin bestehenden Streit über den Pflichtteilsanspruch jedoch nicht kraft einvernehmlicher Vereinbarung der Streitparteien, sondern durch letztwillige Anordnung des Erblassers begründet werden, der mit Verfügung von Todes wegen bestimmt hat, dass über alle Streitigkeiten über Pflichtteilsansprüche ausschließlich ein Schiedsgericht entscheiden soll.

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c) Ein Erblasser kann durch letztwillige Verfügung aber nicht wirksam anordnen, dass ein Streit über einen Pflichtteilsanspruch durch ein Schiedsgericht zu entscheiden ist.

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aa) Nach § 1066 ZPO gelten für Schiedsgerichte, die in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige oder andere nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen angeordnet werden, die Vorschriften des 10. Buchs der Zivilprozessordnung ( §§ 1025 bis 1065 ZPO ) entsprechend. Dieser Bestimmung ist zu entnehmen, dass eine Streitigkeit nur dann durch letztwillige Verfügung der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterworfen werden kann, wenn dies gesetzlich statthaft ist.

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bb) Mit der Formulierung „in gesetzlich statthafter Weise“ nimmt § 1066 ZPO jedenfalls auf die für die Testamentserrichtung geltenden Formanforderungen Bezug. Danach ist die Bestimmung des § 1031 ZPO über die Formerfordernisse einer Schiedsvereinbarung auf die Anordnung eines Schiedsgerichts durch letztwillige Verfügung nicht anwendbar. Die für eine testamentarische Schiedsklausel geltenden Formanforderungen richten sich vielmehr nach den Vorschriften des materiellen Rechts, also nach §§ 2231 bis 2252 BGB (MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1066 Rn. 5; Voit in Musielak/Voit aaO § 1066 Rn. 2; Kössinger in Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 5. Aufl. § 15 Rn. 331; Grötzsch in Groll aaO Kap. XIV Rn. 31; Lange, ZZP 128 [2015], 407, 410).

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cc) Darüber hinaus wird ein Schiedsgericht nur dann im Sinne von § 1066 ZPO „in gesetzlich statthafter Weise“ durch letztwillige Verfügung angeordnet, wenn diese Anordnung in der Verfügungsmacht des Erblassers liegt.

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(1) Die dem Erblasser eingeräumte Befugnis, in eine letztwillige Verfügung eine Schiedsklausel aufzunehmen, ist Ausfluss der Testierfreiheit. Sie ist in ihrer Reichweite durch die dem Erblasser nach den Vorschriften des materiellen Rechts zustehenden Anordnungskompetenzen beschränkt (Schiffer,ZErb 2014, 292, 294; Lange, ZZP 128 [2015] 407, 410). Damit ist kraft letztwilliger Anordnung grundsätzlich nur schiedsfähig, was innerhalb der Verfügungsmacht des Erblassers liegt (OLG Karlsruhe, ZEV 2009, 466, 467 [OLG Karlsruhe 28.07.2009 – 11 Wx 94/07] ; Schlosser in Stein/ Jonas, ZPO, 23. Aufl. § 1066 Rn. 6; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl., § 1066 Rn. 2; Staudinger/Otte aaO Vorbemerkung zu §§ 1937-1941 Rn. 8; ders., Notar und Rechtsgestaltung, Jubiläums-Festschrift des Rheinischen Notariats, 1998, S. 241, 246; BeckOK BGB/Müller-Christmann, 41. Edition, Stand: 01.08.2016, § 1937 Rn. 9; Kössinger in Nieder/Kössinger aaO § 15 Rn. 330; Schiffer/Schürmann, Hereditare – Jahrbuch für Erbrecht- und Schenkungsrecht 4 [2014] S. 39, 48; Storz, SchiedsVZ 2010, 200, 202; Werner, ZEV 2011, 506, 507).

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(2) Die Gegenansicht, nach der die Anordnungskompetenz des Erblassers auf der prozessrechtlichen Vorschrift des § 1066 ZPO beruht und der Erblasser bei der Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit für Streitigkeiten aus Anlass des Erbfalls und im Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses keinen über § 1030 ZPO hinausgehenden Beschränkungen unterworfen ist (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl. § 1066 Rn. 18; ders., Festschrift Schlosser, 2005, S. 197, 202; Haas, ZEV 2007, 49, 52), vermag nicht zu überzeugen. Die Vorschrift des § 1066 ZPO begründet keine Verfügungsmacht des Erblassers, Streitigkeiten über den Nachlass einem Schiedsgericht zuzuweisen, sondern setzt eine solche Anordnungskompetenz voraus (OLG Karlsruhe, ZEV 2009, 466, 467 [OLG Karlsruhe 28.07.2009 – 11 Wx 94/07] ; Voit in Musielak/Voit aaO, § 1066 Rn. 2; Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1066 Rn. 1; MünchKomm.BGB/Leipold aaO § 1937 Rn. 29; BeckOK BGB/Müller-Christmann aaO § 1937 Rn. 9; Haas, ZEV 2007, 49, 50; Lange, ZZP 128 [2015] 403, 416 f.; Crezelius, Festschrift Westermann, 2008, S. 161, 162; Storz, SchiedsVZ 2010, 200, 202; Wendt,ErbR 2014, 400, 402).

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(3) Eine entsprechende Anwendung der für vereinbarte Schiedsgerichte geltenden Vorschrift des § 1030 ZPO über die Schiedsfähigkeit auf durch letztwillige Verfügung angeordnete Schiedsgerichte und damit eine Gleichstellung der Entscheidungskompetenz dieser Schiedsgerichte mit derjenigen staatlicher Gerichte kann auch nicht mit der vom Gesetzgeber bei der Reform des Schiedsverfahrensrechts grundsätzlich vorausgesetzten Gleichwertigkeit von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit begründet werden (vgl. Werner, ZEV 2011, 506, 507 f.; Harder, Das Schiedsverfahren im Erbrecht, 2007, S. 60). Die Vorschriften über die Unterwerfung einer Streitsache unter die Entscheidungsbefugnis eines Schiedsgerichts gehen grundsätzlich von der einvernehmlichen Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit aus; dagegen entzieht die in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Schiedsklausel dem Betroffenen einseitig den durch staatliche Gerichte gewährleisteten Rechtsschutz (Münch-Komm.BGB/Leipold aaO § 1937 Rn. 34; BeckOK BGB/Tegelkamp, Stand: 01.12.2016, § 1937 Rn. 32; Walz/Bandel, Formularbuch Außergerichtliche Streitbeilegung, 2006, Kap. 8 § 24 Rn. 17; Lange, ZZP 128 [2015], 403, 412 f.; Storz, SchiedsVZ 2010, 200, 202; Schulz, MDR 2000, 314, 315).

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dd) Da die Testierfreiheit des Erblassers durch die gesetzliche Anordnung der grundsätzlichen Unentziehbarkeit des Pflichtteils beschränkt ist, ist dem Erblasser – wie das Oberlandesgericht zutreffend angenommen hat – jede Beschränkung des Pflichtteilsberechtigten bei der Verfolgung und Durchsetzung seines Pflichtteilsanspruchs verwehrt. Ein Erblasser, der dem Pflichtteilsberechtigten durch letztwillige Verfügung den Weg zu den staatlichen Gerichten versperrt und ihm ein Schiedsgericht aufzwingt, überschreitet die ihm durch das materielle Recht gezogenen Grenzen seiner Verfügungsfreiheit.

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(1) Sind im Fall der durch Verfügung von Todes wegen angeordneten Schiedsgerichtsbarkeit nur Streitigkeiten über Ansprüche schiedsfähig, auf deren Bestehen und Umfang der Erblasser kraft seiner Testierfreiheit Einfluss nehmen kann, kann der Pflichtteilsanspruch, der ebenso wie die Testierfreiheit zu den von der Erbrechtsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG erfassten Rechten zählt (BVerfGE 112, 332, 348), nicht zu den schiedsfähigen Ansprüchen gezählt werden. Vielmehr wird die Testierfreiheit des Erblassers durch den Pflichtteilsanspruch, der einem Angehörigen, der nicht als Erbe am Nachlass teilhat, eine Mindestteilhabe an diesem sichert, beschränkt. In diesem Umfang ist dem Erblasser die Verfügungsfreiheit über sein Vermögen entzogen (Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl. § 1937 Rn. 5). Streitigkeiten, die ihre Grundlage in zwingendem Pflichtteilsrecht haben, können daher nicht kraft testamentarischer Schiedsanordnung der alleinigen Jurisdiktionsbefugnis eines Schiedsgerichts unterworfen werden (BayObLG, BayObLGZ 1956, 186, 189; OLG Frankfurt aM, ZEV 2012, 665, 668; LG Heidelberg, ZEV 2014, 310 f.; Palandt/Weidlich aaO § 1937 Rn. 9) und sind demnach nicht schiedsfähig im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO (Staudinger/Otte aaO Vorbemerkung zu §§ 1937 – 1941 Rn. 8a; ders., Notar und Rechtsgestaltung aaO S. 241, 251; BeckOK BGB/G. Müller aaO § 2317 BGB Rn. 12a; BeckOK BGB/Müller-Christmann aaO § 1937 Rn. 9; MünchKomm.BGB/Leipold aaO § 1937 Rn. 34; Kössinger in Nieder/Kössinger aaO § 15 Rn. 330; Fröhler in Langenfeld/Fröhler, Testamentsgestaltung, 5. Aufl. Kap. 3 Rn. 394; Lange, Erbrecht, 2011, Kap. 7 § 31 Rn. 59; ders. ZIP 128 [2015] S. 407, 423; Wendt,ErbR 2014, 400, 402; Schiffer/Schürmann aaO S. 39, 49 f.; Voit in Musielak/Voit aaO § 1066 Rn. 3; Saenger/Saenger aaO § 1030 Rn. 8; BeckOK ZPO/Wolf/Eslami aaO § 1066 Rn. 4; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO § 1066 Rn. 2; Schiffer, BB Beilage 1995 [5], 2, 5; Schulze, MDR 2000, 314, 316; aA Zöller/Geimer aaO § 1066 Rn. 18; ders., Festschrift Schlosser, 2005, S. 197, 199 und 206 f.; Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. § 1066 Rn. 7; Grunsky, Festschrift Westermann, 2008, S. 255, 260; Werner, ZEV 2011, 506, 508; Pawlytta, ZEV 2003, 89; Schmitz, RNotZ 2003, 591, 611; Dawirs aaO S. 52; Harder aaO S. 112 f.).

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(2) Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass der Erblasser insoweit Einfluss auf den unabdingbaren Pflichtteilsanspruch nehmen könne, als dieser Anspruch erst infolge des Ausschlusses eines Pflichtteilsberechtigten von der gesetzlichen Erbfolge entstehe. Die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs ist nicht Ausfluss der dem Erblasser im Rahmen der Testierfreiheit zustehenden Verfügungsmacht, sondern zwingende gesetzliche Folge seiner Entscheidung, einen Pflichtteilsberechtigten durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge auszuschließen ( § 2303 BGB ). Auch aus dem Umstand, dass ein Schiedsgericht aufgrund einer entsprechenden Anordnung des Erblassers etwa im Wege der Testamentsauslegung darüber entscheiden kann, wer vom Erblasser zum Erben bestimmt worden ist, kann nicht hergeleitet werden, dass ein Schiedsgericht deshalb auch über der Verfügungsbefugnis des Erblassers entzogene Pflichtteilsansprüche entscheiden kann (Grunsky aaO S. 255, 261; Schiffer,ZErb 2014, 292, 294; ders. AnwZert ErbR 9/2009, Anm. 2; aA Crezelius aaO S. 161, 172; Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1066 Rn. 3; Pawlytta, ZEV 2003, 89, 92 f.; Zöller/Geimer, aaO § 1066 Rn. 18).

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(3) Die Schiedsfähigkeit von Ansprüchen, die aus zwingendem Pflichtteilsrecht herrühren, kann nicht mit Hinweis darauf begründet werden, dass sich im Einzelfall Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben können und eine kraft letztwilliger Verfügung getroffene Schiedsanordnung eine Aufspaltung von Nachlassstreitigkeiten auf unterschiedliche Rechtswege nach sich ziehen kann, etwa wenn sich Überschneidungen zwischen den Ansprüchen des Erben und (ergänzenden) Pflichtteilsansprüchen ergeben (vgl. Voit in Musielak/Voit aaO § 1066 Rn. 3; Haas, ZEV 2007, 49, 51). Derartige Abgrenzungsschwierigkeiten sind Folge der Entscheidung des Erblassers, bestimmte Streitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit zuzuweisen; ihnen kann durch eine möglichst präzise Bestimmung der von einer Schiedsklausel erfassten Streitgegenstände begegnet werden (vgl. Lange, ZIP 128 [2015] 407, 413; aA Grötzsch in Groll aaO Kap. XIV Rn. 45; Pawlytta, ZEV 2003, 89, 92).

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(4) Es bedarf keiner Entscheidung, ob diese Grundsätze uneingeschränkt Geltung beanspruchen, wenn einem Pflichtteilsberechtigten zugleich ein (den Pflichtteil übersteigender) Erbteil zugewandt worden ist (vgl. hierzu Voit in Musielak/Voit aaO § 1066 Rn. 3; BeckOK BGB/G. Müller aaO § 2317 Rn. 12a; ders. aaO § 2306 Rn. 14; Grötzsch in Groll aaO Kap. XIV Rn. 36; Haas ZEV 2007, 49, 51) oder der Pflichtteilsberechtigte – wie hier – zugleich als Vermächtnisnehmer bedacht worden ist (vgl. zu Streitigkeiten zwischen Erben und Vermächtnisnehmern Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1066 Rn. 3; MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1066 Rn. 4 mit Fn. 10; Schütze in Wieczorek/ Schütze aaO § 1066 Rn. 7; Wegmann, ZEV 2003, 20, 21; MünchKomm.BGB/ Leipold aaO § 1937 Rn. 33; Staudinger/Otte aaO Vorbemerkung zu §§ 19371941 Rn. 8) und Gegenstand eines Schiedsverfahrens Ansprüche aus beiden Rechtspositionen sind. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts steht vorliegend allein der Pflichtteils(rest)anspruch der Antragstellerin im Streit ( § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB ).

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d) Das Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, dass die mangelnde Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO unabhängig davon zu berücksichtigen ist, ob sich dies im konkreten Fall zugunsten oder zulasten derjenigen Partei auswirkt, die nach der Schutzrichtung der missachteten Formvorschriften oder der die Verfügungsmacht des Erblassers beschränkenden materiell-rechtlichen Regelungen durch die Vereinbarung oder Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit einen Rechtsnachteil erleiden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 – III ZR 16/11 , SchiedsVZ 2011, 227 f.). Die von Amts wegen zu berücksichtigenden Aufhebungsgründe stehen grundsätzlich weder zur Parteidisposition noch kann wirksam auf ihre Geltendmachung verzichtet werden (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucks. 13/5274, S. 59; Saenger/Saenger aaO § 1059 Rn. 21). Auch eine Präklusion des Aufhebungsgrundes nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO gemäß § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO kommt nicht in Betracht (Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 24 Rn. 31).

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2. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts ist es der Antragsgegnerin aber nach Treu und Glauben verwehrt, sich im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs auf das Fehlen der Schiedsfähigkeit zu berufen.

33

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs kann eine Partei nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nicht die Unwirksamkeit einer Schiedsabrede geltend machen, wenn sie sich zuvor in einem vor den staatlichen Gerichten geführten Prozess auf die Schiedsabrede berufen und dadurch die Abweisung der Klage oder deren Rücknahme durch den Kläger erreicht hat, im anschließend vom Kläger eingeleiteten Schiedsverfahren bei der Konstituierung des Schiedsgerichts mitgewirkt und sich auf das Schiedsverfahren eingelassen hat und erst im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs geltend macht, dass die Schiedsabrede unwirksam sei ( BGH, Urteil vom 2. April 1987 – III ZR 76/86 , NJW-RR 1987, 1194, 1195; Beschluss vom 30. April 2009 – III ZB 91/07 , SchiedsVZ 2009, 287, 288). Entsprechendes gilt, wenn der Beklagte zunächst im Schiedsverfahren geltend macht, dass nicht das Schiedsgericht, sondern das staatliche Gericht zur Entscheidung über den Streitgegenstand berufen sei und in dem sodann eingeleiteten Verfahren vor den ordentlichen Gerichten die Schiedseinrede erhebt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1968 – VII ZR 80/67 , BGHZ 50, 191, 195 bis 197 ). Von diesen Grundsätzen ist auch das Oberlandesgericht ausgegangen.

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b) Die Antragsgegnerin hat sich nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts in dieser Weise widersprüchlich verhalten. Sie hat in dem von der Antragstellerin zunächst vor den ordentlichen Gerichten eingeleiteten Verfahren über den Pflichtteilsanspruch die Schiedseinrede ( § 1032 Abs. 1 ZPO ) erhoben und damit erreicht, dass die Antragstellerin ihre Klage im zweiten Rechtszug zurückgenommen hat, nachdem sich das Berufungsgericht der Auffassung der Antragsgegnerin angeschlossen hatte, dass die Schiedsanordnung des Erblassers den Pflichtteilsanspruch erfasst. Im daraufhin von der Antragstellerin eingeleiteten Schiedsverfahren hat die Antragsgegnerin keine Einwände gegen die Durchführung des Schiedsverfahrens vor dem Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare und die Bestellung des Schiedsrichters erhoben. Sie hat sich erst nachdem das Schiedsgericht durch Versäumnisentscheidung zu ihrem Nachteil erkannt und den Einspruch gegen diese Entscheidung verworfen hat im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches auf die Schiedsunfähigkeit des Pflichtteilsanspruchs berufen. Damit kann die Antragsgegnerin nach Treu und Glauben nicht gehört werden.

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c) Für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung kommt es – anders als das Oberlandesgericht angenommen hat – nicht darauf an, dass vor den ordentlichen Gerichten bisher noch keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Zulässigkeit einer vor den staatlichen Gerichten erhobenen Klage über den von der Antragstellerin erhobenen Pflichtteilsanspruch und den Erfolg der Schiedseinrede ergangen ist (vgl. Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1032 Rn. 33). Es kommt auch nicht darauf an, wie wahrscheinlich es ist, dass die staatlichen Gerichte bei einer erneuten Befassung mit der Sache annehmen, der Gegenstand einer solchen Klage sei nicht schiedsfähig.

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Hat eine Partei vor dem staatlichen Gericht mit Erfolg geltend gemacht, nicht das staatliche Gericht, sondern ein Schiedsgericht sei zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufen, läuft die spätere Geltendmachung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens auf den Versuch hinaus, dem Gegner in jedem der möglichen Verfahrenswege den Rechtsschutz abzuschneiden und ihn damit praktisch rechtlos zu stellen. Es ist dem Gegner nicht zuzumuten, sich (bei insoweit unveränderter Sachlage) abwechselnd auf die eine oder andere Verfahrensart verweisen zu lassen ( BGHZ 50, 191, 196 ; BGH, NJW-RR 1987, 1194, 1195 [BGH 02.04.1987 – III ZR 76/86] ; SchiedsVZ 2009, 287, 288 [BGH 30.04.2009 – III ZB 91/07] ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. April 2011 – 26 SchH 1/11 , BB 2012, 81, 82; Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1032 Rn. 33; Schütze in Wieczorek/Schütze aaO § 1032 Rn. 29; Saenger/Saenger aaO § 1032 Rn. 8; Jauernig/Mansel, BGB, 16. Aufl. § 242 Rn. 49; MünchKomm.BGB/Schubert aaO § 242 Rn. 346; Böttcher/Hohloch in Erman, BGB, 14. Aufl., § 242 Rn. 199a; Staudinger/Olzen/Looschelders, BGB, Neubearbeitung 2015, § 242 Rn. 1122; vgl. ferner OLG Frankfurt, Urteil vom 6. Februar 2009 – 24 U 183/08 , […] Rn. 8).

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Das Interesse des Verfahrensgegners, nicht einerseits mit Rücksicht auf die Erhebung der Schiedseinrede und andererseits mit Rücksicht auf die Geltendmachung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens von einem auf den anderen Verfahrensweg verwiesen zu werden, ohne eine Sachentscheidung erreicht zu haben, ist auch dann schützenswert, wenn er aus prozessualen Gründen nicht gehindert ist, seinen Anspruch letztlich doch noch mit Erfolg vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Ist die gegensätzliche Einlassung des von ihm in Anspruch Genommenen in beiden Verfahren nicht ausnahmsweise durch sachliche Gründe gerechtfertigt (vgl. hierzu BGHZ 50, 191, 197 ), muss er sich durch ein solches Verhalten nicht zu Prozesshandlungen veranlasst sehen, die sich im Nachhinein als sinnlos herausstellen und lediglich Zeitverlust und Kosten verursachen (BGH, NJW-RR 1987, 1194, 1195 [BGH 02.04.1987 – III ZR 76/86] ).

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d) Der Berücksichtigung des von der Antragstellerin erhobenen Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung steht nicht entgegen, dass der Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO von Amts wegen zu beachten und im Regelfall der Parteidisposition entzogen ist. Vorliegend ist der Gegenstand des Schiedsverfahrens nicht schlechthin schiedsunfähig, weil der Pflichtteilsanspruch kraft Parteivereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen werden kann (vgl. OLG Frankfurt, ZEV 2012, 665, 668; vgl. ferner Staudinger/Otte aaO Vorbemerkung zu §§ 1937-1941 Rn. 8a; Storz, SchiedsVZ 2010, 200, 203).

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II. Das Oberlandesgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Schiedsspruch gegen den innerstaatlichen verfahrensrechtlichen ordre public verstößt, weil im schiedsrichterlichen Verfahren die Bestimmung des § 1048 Abs. 3 ZPO nicht beachtet und dadurch der Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden ist. Der Senat sieht insoweit gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO von einer Begründung seiner Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

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C. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts auf Kosten der Antragstellerin ( § 97 Abs. 1 ZPO ) zurückzuweisen.

Vorschriften
§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO, § 1048 Abs. 3 ZPO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO, § 574 Abs. 2, § 575 ZPO, § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 1059 Abs. 2 ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a ZPO, § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 2303 BGB, § 1029 Abs. 1 ZPO, § 1029 Abs. 2 ZPO, § 1066 ZPO, §§ 1025 bis 1065 ZPO, § 1031 ZPO, §§ 2231 bis 2252 BGB, § 1030 ZPO, Art. 6 Abs. 1 GG, § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO, § 1032 Abs. 1 ZPO, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO

Quelle:IWW

Erbschaft als Betriebseinnahme

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 8/17, Pressemitteilung vom 07.02.2017, Urteil vom 6.12.2016,  Aktenzeichen I R 50/16

Erhält eine GmbH eine Erbschaft, ist der Erwerb für die GmbH nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Dezember 2016 I R 50/16 auch dann körper­schaft­steuerpflichtig, wenn der Erbanfall zugleich der Erbschaftsteuer unterliegt.

Im Streitfall betrieb eine GmbH ein Seniorenpflegeheim. Sie wurde mit notariell beurkundetem Testament von einem ledigen Heimbewohner mit der Auflage zu dessen Alleinerbin eingesetzt, das Erbvermögen ausschließlich für Zwecke des Heimbetriebs zu verwenden. Nach dem Versterben des Heimbewohners setzte das Finanzamt zum einen Erbschaftsteuer in Höhe von 300.510 € fest. Zum anderen erhöhte es den von der GmbH erklärten Gewinn um das ihr nach Abzug der Testaments­voll­streckungs­kosten verbliebene Erbvermögen von 1.041.659,65 € und setzte dementsprechend Körperschaftsteuer fest. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Der BFH bestätigte die Klageabweisung. Nach seinem Urteil verfügt die GmbH als Kapitalgesellschaft ertragsteuerrechtlich über keine außerbetriebliche Sphäre. Der Bereich ihrer ge­werb­lichen Gewinnerzielung umfasst sämtliche Einkünfte und damit auch Vermögensmehrungen, die nicht unter die Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes (EStG) fallen. Dies gilt auch für Vermögenszugänge aufgrund unentgeltlicher Zuwendungen einschließlich eines Erbanfalls.

Nach dem Urteil des BFH liegt keine verfassungsrechtlich un­zu­lässige Kumulation von Körperschaftsteuer und Erbschaft­steuer vor. Das Verfassungsrecht gebietet nicht, alle Steuern auf­ein­ander abzustimmen und Lücken sowie eine mehrfache Be­steue­rung des nämlichen Sachverhalts zu vermeiden. So ist es bei­spielsweise nicht zu beanstanden, dass der nämliche Gewinn sowohl der Einkommen- oder Körperschaftsteuer sowie zu­sätz­lich der Gewerbesteuer unterworfen wird. Dies gilt auch für eine Kumulation von Ertrag- und Erbschaftsteuer, wie die Mil­de­rungs­regelung des § 35b EStG verdeutlicht.

Der BFH verneint auch einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) im Hinblick auf eine unterschiedliche Behandlung von Erbanfällen bei natürlichen und juristischen Personen. Denn Art. 3 Abs. 1 GG enthält kein allgemeines Verfassungsgebot einer rechtsformneutralen Besteuerung. Es obliegt dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ob er die progressive Einkommensteuerbelastung gemäß § 32a EStG mit Rücksicht auf die Erbschaftsteuerbelastung der Einkünfte abfedert (§ 35b EStG) und ob sowie in welcher Form er diese Entlastung auf den linearen Körperschaftsteuertarif gemäß § 23 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (im Streitjahr: 15 %) erstreckt.

Schließlich verneint der BFH auch einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Im Streitfall kam dies bereits deshalb nicht in Betracht, da die Klägerin von der Gewerbesteuer befreit (§ 3 Nr. 20 des Gewerbesteuergesetzes) war und der Erbanfall deshalb insgesamt mit Erbschaft- und Körper­schaft­steuer in Höhe von lediglich 45 % belastet war.

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Ist eine Grundstücksschenkung unter Wohnungsrechtvorbehalt für die Pflichtteilsergänzung relevant?

Der BGH hat mit Datum vom 29.06.2016, Aktenzeichen IV ZR 474/15, entschieden, dass bei einer Schenkung eines Grundstücks unter Vorbehalt des Wohnungsrechtes an dem Grundstück oder Teilen daran, der Beginn des Fristlaufs gemäß § 2325 Abs. 3 BGB in Ausnahmefällen gehindert sein kann.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Erblasser verstarb im Jahre 2012. Er setzte seine Ehefrau als testamentarische Alleinerbin ein. Der Sohn B hatte 1994 das Hausgrundstück der Eltern erhalten. Dieses hatte drei Stock­werke, die Eltern behielten sich ein Wohnungsrecht in den Räum­lichkeiten im Erdgeschoss vor. Die unentgeltliche Nutzung des Gartens, der Nebenräume sowie aller Leitungen und Anlagen zur Versorgung des Anwesens mit Wasser, Wärme, Energie und Entsorgung sowie die Mitnutzung der Garage waren vereinbart. Darüber hinaus nutzten sie im Obergeschoss zwei Zimmer und zusammen mit dem Sohn das Bad. Geschlossene Wohnungen gab es nicht. Es wurde vereinbart, dass der Sohn weder ohne Zustimmung seiner Eltern das Grundstück veräußern noch Um- und Ausbaumaßnahmen vornehmen dürfe. Der Sohn war berechtigt, Grundpfandrechte bis zu einer bestimmten Höhe im Rang vor dem Wohnungsrecht zu bewilligen. Der weitere Sohn machte erfolglos seinen Pflichtteils- und Pflichtteils­ergän­zungs­anspruch aus dem halben Wert des Hausgrundstückes geltend.

Der BGH hält an der sogenannten Genussverzichts­recht­sprechung ausdrücklich fest. Nach § 2325 Abs. 1 BGB besteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung macht. Diesbezüglich findet gemäß § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Abschmelzung statt. Eine Schen­kung 10 Jahre vor dem Erbfall führt nicht zu Pflichtteils­ergän­zungs­ansprüchen gemäß § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB. Der Fristlauf beginnt erst dann, wenn der Erblasser seine Rechts­stellung als Eigentümer endgültig aufgibt. Ebenfalls muss er darauf verzichten, den verschenkten Gegenstand im Wesent­lichen weiterhin zu nutzen, sei es entweder aufgrund vor­be­hal­te­ner dinglicher Rechte oder aber durch Vereinbarung schuld­rechtlicher Ansprüche. Aufgrund dessen gilt gemäß der Recht­sprechung des BGH eine Schenkung als nicht geleistet, wenn der Erblasser auf den Genuss des verschenkten Gegen­stan­des nicht auch tatsächlich verzichten muss.

Wird der Nießbrauch bei einer Schenkung uneingeschränkt vorbehalten, wurde der Genuss des verschenkten Gegenstandes nicht aufgegeben. Ob dies nun aber auch für ein vorbehaltenes Wohnungsrecht gilt, ist nicht abstrakt beantwortbar. Dies­be­züg­lich ist eine Einzelfallentscheidung erforderlich. Der Fristablauf kann beim Wohnungsrecht ausnahmsweise gehindert sein. Maßgeblich ist, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss im Wesentlichen nutzen konnte. Der Erblasser muss seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgeben und darauf verzichten, den Gegenstand im Wesent­lichen weiter zu nutzen. Eine Schenkung gilt im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB als geleistet, wenn der Erblasser den Genuss des verschenkten Gegenstands auch tatsächlich entbehren muss.

Die Auswirkung der BGH-Entscheidung ist, dass dieser eine Gestaltung billigt, um Pflichtteilsansprüche zu vermeiden. Leben Erblasser und Kind gemeinsam im Haus, kann das Grundstück an das Kind verschenkt werden und der Erblasser kann sich ein Wohnungsrecht an den von ihm genutzten Räumen vorbehalten. Eine Abschmelzung findet statt. Nach 10 Jahren besteht kein Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr. Nach dem vorliegenden Urteil ist dies sogar der Fall, wenn sich für den Erblasser hier­durch nichts verändert.

Individuelle Fragen zu diesem und weiteren Themen im Erbrecht beantworten wir Ihnen gerne im Rahmen einer fundierten Beratung – sprechen Sie uns einfach darauf an.

Errichtung eines Nottestamentes – welche Aufgaben haben die drei notwendigen Zeugen?

Die drei Zeugen müssen gemeinsam bei der Erklärung des Erblassers zugegen sein und diese anhören.

Ebenfalls sind sie dafür verantwortlich, dass die Erklärung zutreffend schriftlich niedergelegt wird.

Die drei Zeugen müssen beim Verlesen der Niederschrift anwesend sein und übereinstimmend feststellen, dass der Erblasser die Niederschrift genehmigt hat.

Die Niederschrift ist zu verlesen und vom Erblasser zu genehmigen.

Die Zeugen müssen einheitlich feststellen, dass eine nahe Todesgefahr vorliegt. Die Todesgefahr muss entweder objektiv so nah sein, dass voraussichtlich weder ein notarielles Testament noch ein Bürgermeistertestament errichtet werden kann oder alle drei Zeugen müssen übereinstimmend besorgt sein, dass eine solche Gefahrenlage bestehen könnte. Dies muss angesichts der objektiven Sachlage auch als gerechtfertigt angesehen werden können. § 2250 BGB hält die Todesgefahr für maßgeblich, ob aufgrund konkreter Umstände der Tod des Erblassers zu befürchten ist, bevor der Notar oder ein Bürgermeister eintrifft. Objektiv ist Todesgefahr gegeben, wenn von einem klinischen Zustand einer unmittelbar bevorstehenden Phase des Lebens ausgegangen werden kann, wie z.B. bei beginnenden kleinen Organausfällen. Die Todesgefahr muss eine gemeinsame Erklärung in der Niederschrift finden.

Weiterhin sind zwingend drei Zeugen anzugeben, zwei Zeugen beispielsweise reichen nicht aus.

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Auslegungsmöglichkeit einer Vollmacht als Testament

Das OLG München hat mit Datum vom 31.03.2016, Aktenzeichen 31 Wx 413/15, beschlossen, dass eine in einem Brief hand­schriftlich vom Erblasser verfasste Vollmacht eine testa­men­ta­rische Verfügung enthalten kann. Hierzu ist im Wege der Auslegung insbesondere zu prüfen, ob ein ernsthafter Testierwille des Erb­lassers zum Zeitpunkt der Abfassung des Briefes bestand.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die ledige Erblasserin war am 16.12.2002 im Alter von 77 Jah­ren verstorben. Das Nachlassgericht erteilte aufgrund gesetz­licher Erbfolge am 25.01.2006 einen Erbschein, der die Betei­ligten zu 1 – 3 als Miterben auswies. Der Beteiligte zu 4 legte mit Schreiben vom 18.08.2015 einen Brief der Erblasserin vom 20.10.1975 vor, welchen er nach eigenen Angaben erst zu diesem Zeitpunkt bei Durchsicht seiner Unterlagen aufgefunden hatte. Inhalt des Schreibens war, dass die Erblasserin feststellte, dass sie sich entschlossen habe, nach ihrem Tod das Vermögen dem Beteiligten zu 4 zur Verfügung zu stellen. Falls ihr uner­wartet etwas zustoßen sollte, dann sollte dieses Schreiben als Vollmacht gelten. Das Schreiben war ordnungsgemäß datiert und unterschrieben.

Das Nachlassgericht ordnete daraufhin die Einziehung des Erbscheins mit Beschluss vom 11.09.2015 an, da der Brief vom 20.10.1975 als Erbeinsetzung angesehen wurde. Lediglich die Beteiligten zu 2 und 3 wandten sich gegen diesen Beschluss.

Der Senat entschied, dass die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die Erblasserin mit dem Brief vom 20.10.1975 ein Testa­ment errichtet hatte und darin den Beteiligten zu 4 zu ihrem Erben eingesetzt hat, nicht haltbar ist. Somit liegen die Voraussetzungen für die Einziehung des Erbscheins nicht vor.

Jedoch kann grundsätzlich in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief der letzte Wille des Erblassers enthalten sein. Genügt diese den formalen Voraus­setzungen des § 2247 BGB, kann diese schriftlich niedergelegte Erklärung nur dann als letztwillige Verfügung gelten, wenn sie auf einen amtlichen Testierwillen des Erblassers beruht. Ob ein solcher amtlicher Testierwille vorliegt, muss im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung beurteilt werden. Bei einem Brieftestament sind an den Nachweis des Testierwillens strenge Anforderungen zu stellen. Der Umstand, dass die Erblasserin das Schreiben nicht als Testament oder ähnliches bezeichnet hatte, stellt kein Indiz gegen die Errichtung eines Testaments dar. Das Fehlen einer solchen Bezeichnung ist unschädlich. Entscheidend ist vielmehr, dass sich aus dem Schriftstück der Wille der Erblasserin ergibt, die Folgen ihres Todes ernsthaft und umfassend zu regeln.

Im vorliegenden Fall geht der Senat nicht davon aus, dass in dem Schreiben von der Erblasserin zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Beteiligte zu 4 Erbe wird. Somit war die Beschwerde erfolgreich.

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Testamentarische Zuwendung von Einzelgegenständen

Das OLG Hamburg hat mit Schluss vom 06.10.2016, Aktenzeichen 2 W 69/15, entschieden, dass es erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten der Zuwendung von Einzelgegenständen an mehrere Empfänger nacheinander gibt, die zu einer Erbeinsetzung führen.

Die Leitsätze diesbezüglich lauten wie folgt:

  1. Durch Zuwendungen über Einzelgegenstände im Gesamtwert von ca. 3/4 des Nachlasses verfügt der Erblasser nicht über sein praktisch gesamtes Vermögen, so dass die Zweifelsregelung des § 2087 Abs. 2 BGB, wonach mit der Zuwendung von Einzelgegenständen im Zweifel keine Erbeinsetzung verbunden ist, nicht ausgeräumt ist.
  2. Will der Erblasser einen bestimmten Vermögensgegenstand zunächst einer Person und nach deren Tod einer anderen Person zuwenden, kann dies entweder in Form von – teilweise aufschiebend bedingten – Vermächtnissen oder aber im Rahmen der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft erfolgen. Trotz des Grundsatzes der Universalsukzession kann eine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbschaft im Ergebnis dadurch erreicht werden, dass dem Vorerben alle übrigen Nachlassgegenstände mit Ausnahme desjenigen, der Gegenstand der Nacherbschaft werden soll, zu gleich – endgültig – im Rahmen von Vorausvermächtnissen zugewiesen werden. Ob von Vermächtnissen oder eine Vor-/Nacherbschaft auszugehen ist, entscheidet sich danach, ob der Erblasser dinglich wirkende Verfügungsbeschränkungen der zunächst bedachten Person festlegen oder es – wie bei Vermächtnissen – bei bloß schuldrechtlichen Ansprüchen gegen diese Person bzw. deren Erben belassen wollte.

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Abfindungszahlung an Erbprätendenten als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 59/16, Pressemitteilung vom 07.09.2016, Urteil vom 15.06.2016, Aktenzeichen II R 24/15

Entrichtet ein Erbe eine Abfindungszahlung an den weichenden Erbprätendenten zur Beendigung eines gerichtlichen Rechts­streits wegen der Erbenstellung, ist diese als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 15. Juni 2016 II R 24/15 entschieden.

Im Streitfall hatte die Erblasserin zunächst in einem notariellen Testament die Klägerin und deren Ehemann als Erben zu glei­chen Teilen eingesetzt. Kurz vor ihrem Tod ordnete sie hand­schriftlich an, dass ihr Finanzberater Alleinerbe sein sollte. Der nach dem Tod der Erblasserin vor dem Nachlassgericht geführte Streit um die Erbenstellung endete in einem Vergleich. Darin nahm der Finanzberater seinen Antrag auf Erteilung eines Erb­scheins gegen Zahlung einer Abfindungssumme von 160.000 € durch die Eheleute zurück. Daraufhin wurde den Eheleuten ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt, der diese als (Mit-)Erben zu gleichen Teilen ausweist. Das Finanzamt setzte gegen die Klä­ge­rin Erbschaftsteuer fest, ohne die anteilige Abfindungszahlung bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs zum Abzug zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage statt.

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung des FG. Die Abfin­dungs­zahlung, die der Erbe an den weichenden Erbprätendenten zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung entrichtet, ist als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkung­steuergesetzes abzugsfähig. Ein Abzug von Erwerbskosten als Nachlassverbindlichkeiten setzt einen unmittelbaren Zusam­men­hang mit der Erlangung des Erwerbs voraus. Der Begriff der Er­werbskosten ist dabei grundsätzlich weit auszulegen. Nach dem Urteil des BFH hängen Kosten, die dem letztendlich be­stimm­ten Erben infolge eines Rechtsstreits um die Erbenstellung ent­ste­hen, regelmäßig unmittelbar mit der Erlangung des Erwerbs zusammen.

Ein Grundsatz korrespondierender Steuerbarkeit besteht im Übrigen nicht. So steht dem Abzug als Nachlassverbindlichkeit beim Zahlenden nicht entgegen, dass beim Zahlungsempfänger kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb vorliegt. Daher verneint der BFH einen Widerspruch zu seiner Rechtsprechung, nach der beim weichenden Erbprätendenten, der eine Ab­fin­dungs­zahlung dafür erhält, dass er die Erbenstellung nicht mehr bestreitet, kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb vorliegt.

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Nachweis des Erbrechts durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments gegenüber der Bank unter Umständen möglich

Der BGH hat mit Datum vom 05.04.2016, Akten­zeichen XI ZR 440/15, entschieden, dass der Erbe sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen kann, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Ehepaar hatte ein handschriftliches Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig als Erben einsetzten. Nach dem Tod des Letztversterbenden soll das Vermögen auf die Kinder, die jetzigen Kläger, übergehen.

Es war ebenfalls eine Pflichtteilsstrafklausel vorhanden, die besagte, dass bei Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches durch eines der Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden, dieses Kind auch beim Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten solle. Nach dem Tod des Ehemanns wurde das Testament eröffnet und der Sparkasse vorgelegt. Nach dem Tod der Ehefrau wurde es erneut eröffnet, die Kläger forderten die Sparkasse erfolglos unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Testaments und des Eröffnungsprotokolls auf, die Konten der Mutter freizugeben. Daraufhin beantragten die Kläger einen ge­meinschaftlichen Erbschein und verauslagten die diesbezüg­lichen Gerichtskosten. Die Sparkasse gab daraufhin die Konten frei, lehnte aber die Übernahme der Kosten für den Erbschein ab. Die Kläger haben nunmehr erfolgreich die Übernahme der Kosten eingeklagt. Die Revision blieb dagegen erfolglos.

Der BGH hat entschieden, dass die Kläger gegen die Sparkasse einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB dahingehend haben, dass die Gerichtkosten für den Erbschein zu erstatten sind. Vorliegend hätte es ausgereicht, das handschriftliche Testament nebst Eröffnungsvermerk vorzulegen, um die Erbenstellung der Kläger nachzuweisen. Somit hat die Sparkasse die Erbscheinkosten verursacht, obwohl diese nicht nötig gewesen wären. Damit hat die Sparkasse gegen die ihr obliegende Leistungstreuepflicht verstoßen.

Der Nachweis der Erbenstellung kann entweder durch Erbschein, öffentliches Testament, eigenhändiges Testament oder bei ge­setz­licher Erbfolge durch Urkunden, aus denen sich die Erbfolge ergibt, nachgewiesen werden. Die Sparkasse darf grundsätzlich nicht verlangen, dass ein Erbschein vorgelegt wird, selbst, wenn nur ein eigenhändiges Testament vorliegt. Es sind die Interessen des Erben zu beachten, der durch die Universalsukzession des § 1922 BGB in die Stellung des Erblassers als Vertragspartner der Bank eingerückt ist. Zwar hat die Sparkasse auch ein be­rech­tigtes Interesse daran, der Gefahr zu entgehen, doppelt in An­spruch genommen zu werden, aber es ist auch dem berechtigten Interesse der Erben Rechnung zu tragen, den Nachlass rasch und kostengünstig abzuwickeln. Ein Erbe wird bei fehlender Notwendigkeit die Kosten eines Erbscheinverfahrens regelmäßig nicht aufwenden.

Es muss jedoch eine Differenzierung zum eröffneten öffentlichen Testament vorgenommen werden. Bei einem öffentlichen Tes­ta­ment reicht es in der Regel aus, eine beglaubigte Abschrift des Testaments nebst einer beglaubigten Abschrift des Er­öff­nungs­protokolls vorzulegen, um die Erbfolge nachzuweisen. Dies gilt insbesondere bei Grundbuchberichtigungen, Handels­regis­ter­anmeldungen etc.

Daher ist es auch gerechtfertigt, dem eröffneten öffentlichen Testament im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber eine widerlegbare Vermutung beizumessen, um die Erbfolge nach­zu­weisen.

Dies kann beim privatschriftlichen Testament so nicht über­nommen werden. Auch wenn eine Gleichwertigkeit zu einem notariellen Testament besteht, ist die Gefahr der Rechts­un­kennt­nis, unklarer Formulierungen, des Verlusts, der Unterdrückung oder Fälschung höher als bei einem öffentlichen Testament.

Somit ist es Frage des Einzelfalles, ob die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist, wenn eine beglaubigte Ablichtung nebst einer beglaubigten Abschrift des Eröffnungsprotokolls vorgelegt wird.

Es besteht keine gesteigerte Auslegungspflicht der Banken. Nur bei konkreten und begründeten Zweifel an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge ist die Bank berechtigt, ergänzende Erklärungen des oder der Erbanwärter einzuholen.

Vorliegend wurde durch das privatschriftliche Testament die Erbfolge hinreichend nachgewiesen. Zweifel ergeben sich auch nicht aus der Pflichtteilsstrafklausel.

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Regelung des digitalen Nachlasses

 Im Laufe eines Lebens sammeln sich viele Daten im Internet an, die eigene Website, E-Mail-Postfächer, die Accounts bei sozialen Netzwerken oder auch diversen Cloud- und Online-Speichern. Die Regelung des digitalen Nachlasses gewinnt daher immer mehr an Bedeutung.

Der digitale Nachlass stellt Erben immer wieder vor Probleme, da er meist weitgehend ungeklärt ist. Diesen kann man jedoch vorbeugen.

Was nach dem Tod eines Menschen mit seinen Account-Daten passiert, hängt von dem Erblasser selbst ab. Trifft er keine Verfügung, fallen die E-Mails, welche unter die Persönlichkeitsrechte fallen, den Angehörigen zu. Alle weiteren Verträge gehen auf die Erben über.

Seit 2013 Google bietet für die Dienste Gmail (E-Mail), Google Drive (Netz-Festplatte), Picasa (Fotoservice) und Google+ (soziales Netzwerk) eine Lösung an.

Google gibt seinen Nutzern hierbei die Möglichkeit, ihren digitalen Nachlass zu regeln. Das Unternehmen stellte Einstellungen für den Fall vor, dass ein Google-Konto längere Zeit nicht mehr genutzt wird.

Der Nutzer kann zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen:

  • Es besteht die Möglichkeit, die Daten automatisch löschen zu lassen. Als möglicher Zeitraum wird ein Spielraum von 3, 6, 9 oder 12 Monaten eingeräumt.
  • Alternativ hierzu besteht die Möglichkeit, dass das System die Einwahldaten für Google-Dienste an bestimmte Personen übermittelt, beispielsweise per SMS.

Für alle anderen Online- und Cloud-Dienste kann man den digitalen Nachlass und den Umgang mit den vorhandenen Daten derzeit nur mit einer testamentarischen Verfügung regeln. Sollte kein Testament vorhanden sein bzw. erstellt werden wollen, besteht die Möglichkeit, eine digitale Vorsorgevollmacht zu fertigen. Diese sollte ebenfalls handgeschrieben und unterschrieben sein. Es ist vorteilhaft, ebenfalls die vollständigen Zugangsdaten zu hinterlegen.

Siehe auch:
Wichtige Entscheidung für Erben, wenn der Nachlass ein Facebook-Konto beinhaltet

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Kostenentscheidung im Erbscheinsverfahren – zur Auslegung des § 81 FamFG

Der BGH hat mit Datum vom 18.11.2015, Akten­zeichen IV ZB 35/15, entschieden, dass bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kos­tenentscheidung im Erb­scheinsverfahren gemäß § 81 Abs. 1 FamFG sämtliche in Betracht kommenden Umstände des Ein­zelfalles heranzuziehen sind. Hierbei kann – ohne Anwendung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses – neben anderen Umständen auch das Obsiegen und Unterliegen berücksichtigt werden.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien stritten um die Erbfolge nach der verstorbenen Erblasserin. Die Beteiligte zu 1.) ist deren Tochter, die übrigen Beteiligten sind die Kinder des vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin. Die Erblasserin setzte die Enkelkinder mit notari­ellem Testament zu Universalerben ein. Die Beteiligte zu 1.) beantragte einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der sie als Miterbin zu 1/2 sowie die Enkel als Miterben zu je 1/8 ausweisen sollte, da sie in dem notariellen Testament einen Verstoß gegen die Höfeordnung sah und dieses für unwirksam hielt. Das Nachlassgericht hat den Antrag auf Kosten der Be­tei­ligten zu 1.) zurückgewiesen. Hiergegen legte die Beteiligte zu 1.) Beschwerde ein. Das Beschwerdegericht hat ihre Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass bezüglich des erst­instanzlichen Verfahrens die Beteiligte zu 1.) und die Beteiligten zu 2.) die Gerichtskosten zu je 1/2 tragen. Außergerichtliche Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens seien nicht zu erstatten. Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2.) blieb erfolglos.

In Nachlasssachen entscheidet das Nachlassgericht nach billigem Ermessen darüber, ob es den Beteiligten Kosten auferlegt. Das Ermessen des Nachlassgerichts umfasst ebenfalls, von einer Kostenerhebung gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG abzusehen.

Bei einer Kostenentscheidung stellt das Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens nur einen von mehreren Gesichtspunkten dar, der bei der Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu berücksichtigen ist. Sämtliche in Betracht kom­men­den Umstände sind in die Ermessensentscheidung mit ein­zubeziehen, wie etwa Wortlaut, Systematik und Entstehungs­geschichte, die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse sowie die familiäre und persönliche Nähe zwischen dem Erblasser und den Verfahrensbeteiligten.

Ein Umkehrschluss ist jedoch unzulässig. Festzuhalten ist ebenfalls, dass das Beschwerdegericht nur Ermessensfehler prüfen kann. Dies hat zur Folge, dass die in §§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG enthaltene Regelung, dass in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder Beteiligte grundsätzlich seine außer­ge­richt­lichen Kosten selbst tragen musste, aufgegeben worden ist.

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