Jahresarchiv 20. Februar 2017

Wer ist bei mehreren Witwen die Bezugsberechtigte bei einer Lebensversicherung?

Der BGH hat mit Datum vom 22.07.2015, Aktenzeichen IV ZR 437/14, entschieden, dass für die Bezugsberechtigung einer Lebens­ver­si­che­rung im Falle des Todes des Versicherungsnehmers, auch im Falle einer späteren Scheidung der Ehe und Wiederheirat des Versicherungsnehmers, regelmäßig eine Auslegung dahingehend vorzunehmen ist bei der Formulierung der Bezugsberechtigung „der verwitwete Ehegatte“, dass der mit dem Versicherungs­nehmer zum Zeitpunkt der Bezugsrechtserklärung verheiratete Ehegatte bezugsberechtigt sein soll.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Erblasser war mit der Klägerin in zweiter Ehe verheiratet. Nach dem Tod des Ehemannes forderte sie den Versicherer auf, die Versicherungsleistung aus einer von ihrem Ehemann bei der Versicherung gehaltenen Lebensversicherung auszuzahlen. Der Erblasser war in erster Ehe mit der jetzigen Streithelferin der Versicherung verheiratet gewesen. Der Arbeitgeber des Erb­lassers hatte diesem als seinem Arbeitnehmer die Lebens­ver­si­che­rung übertragen. Die Versicherung übersandte dem Erblasser einen Vordruck, um einen Begünstigten zu benennen. Der Erb­lasser kreuzte an, dass der verwitwete Ehegatte bezugs­be­rech­tigt sein solle. Zu diesem Zeitpunkt war er noch mit der Ehefrau aus erster Ehe verheiratet. Später wurde diese Ehe geschieden. Danach heiratete der Erblasser die Ehefrau, die jetzige Klägerin. Auf Frage des Erblassers teilte der Versicherer ihm mit, dass seine verwitwete Ehegattin begünstigt sein werde. Die Be­gün­sti­gung gelte für den Todesfall.

Nach dem Tod des Erblassers zahlte der Versicherer die Ver­si­che­rungssumme an die Ehefrau aus erster Ehe aus. Diese wiederum lehnte es ab, den Betrag an die Ehefrau aus zweiter Ehe aus­zu­zahlen. Daraufhin erhob diese Klage vor dem Landgericht auf Zahlung, welcher stattgegeben wurde. Das OLG hat die Be­ru­fung zurückgewiesen. Die Revision führte nun dazu, dass die Klage abgewiesen wurde.

Der BGH führt in den Entscheidungsgründen hierzu aus, dass es sich bei der Bestimmung eines Bezugsberechtigten durch den Versicherungsnehmer um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, die erst Wirksamkeit erlangt, wenn sie der Versicherung zugeht. Die Formulierung „der verwitwete Ehegatte“ als Bezugsberechtigte im Todesfall muss ausgelegt werden. Diese Auslegung hat sich jedoch auf den Zeitpunkt zu beziehen, zu dem der Versicherungsnehmer seine Erklärung abgibt. Es wird hier also maßgeblich darauf abgestellt, dass der bei der Festlegung des Bezugsrechtes vorhandene und dem Versicherer gegenüber ausgedrückte Wille des Versiche­rungs­nehmers deutlich wird. Spätere hinzutretende Umstände sind unerheblich. Nachträgliche Überlegungen oder Absichts­er­klä­rungen des Versicherungsnehmers bleiben außer Betracht, wenn Sie dem Versicherer nicht mitgeteilt worden sind, so dass dieser nach objektivem Empfängerhorizont den Inhalt seiner etwaigen Bezugsrechtsänderung erkennen kann.

Der BGH führt ebenfalls aus, dass ein Versicherungsnehmer sich bei dem Wort „Ehegatte“ vorstellt, dass damit der Ehegatte gemeint ist, mit dem er zum Zeitpunkt der Erklärung verheiratet ist, solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen. Dies ändert sich auch nicht durch das Wort „verwitwet“. Es ist auf das Verständnis des Versicherungsnehmers und Ehemannes zu dem Zeitpunkt abzustellen, als er die Erklärung abgab, welche sich dann nach dem objektiven Empfängerhorizont des Versicherers richtet. Danach ist aus Sicht des Versicherungsnehmers übli­cher­weise die zu diesem Zeitpunkt mit ihm verheiratete Frau im Versicherungsfall der verwitwete Ehegatte schon allein daraus, weil das Bezugsrecht nach der Regelung nur im Todesfall greifen soll. Auch die Scheidung ändert hieran nichts. Hinzu müssen besondere Umstände treten, zumal die Bezugsberechtigung nicht durch eine Scheidung der Ehe vor Eintritt des Versicherungsfalles bedingt ist. Der Begriff „Ehegatte“ impliziert nicht, dass das Bezugsrecht nur für den Fall eingeräumt werden soll, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles noch besteht. Hier ändert sich auch nichts dadurch, dass es sich um eine Direkt­versicherung der betrieblichen Altersvorsorge gehandelt hat. Der Erblasser war frei in seiner Entscheidung über das Bezugsrecht, nachdem die Versicherung auf ihn übergegangen war. Schluss­endlich weist der BGH noch darauf hin, dass eine Änderung des Bezugsrechtes nach § 13 Abs. 4 ALB 1986 eine schriftliche Anzeige an den Versicherer voraussetzt. Diese hat jedoch nicht stattgefunden.

Quintessenz aus diesem Urteil ist, dass die bezugsberechtigte Person einer Versicherung immer namentlich benannt werden sollte.

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Firmenwagenbesteuerung: Zuzahlungen des Arbeitnehmers mindern geldwerten Vorteil

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 11/17, Pressemitteilung vom 15.02.2017, Urteil vom 30.11.2016, Aktenzeichen VI R 2/15  , Urteil vom 30.11.2016, Aktenzeichen VI R 49/14

Nutzungsentgelte und andere Zuzahlungen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber für die außerdienstliche Nutzung eines be­trieb­lichen Kfz mindern den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit zwei Urteilen vom 30. November 2016 (VI R 2/15 und VI R 49/14) zur Kfz-Nutzung für private Fahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte entschieden. Der BFH hat dabei seine Rechtsprechung zugunsten der Steuerpflichtigen insoweit modifiziert, als nunmehr nicht nur ein pauschales Nutzungsentgelt, sondern auch einzelne (indi­vi­du­elle) Kosten des Arbeitnehmers –entgegen der Auffassung der Finanzbehörden– bei Anwendung der sog. 1 %-Regelung steu­er­lich zu berücksichtigen sind.

Im ersten Fall (Az: VI R 2/15) hatten sich der Kläger und sein Arbeitgeber die Kosten des Dienstwagens, den der Kläger auch für private Zwecke nutzen durfte, geteilt. Der Kläger trug sämtliche Kraftstoffkosten (ca. 5.600 €). Die übrigen PKW-Kosten übernahm der Arbeitgeber. Der geldwerte Vorteil aus der Kfz-Überlassung wurde nach der 1 %-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) berechnet und betrug ca. 6.300 €. Der Kläger begehrte, die von ihm im Streitjahr getragenen Kraftstoffkosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte den Vorteil aus der Privatnutzung lediglich in Höhe von 700 € fest.

Der BFH hat die Vorinstanz im Ergebnis bestätigt. Leistet der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die außerdienstliche Nutzung eines Dienstwagens ein Nutzungsentgelt, mindert dies den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung. Ebenso ist es, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der privaten Nutzung einzelne (individuelle) Kosten (hier: Kraftstoffkosten) des betrieblichen PKW trägt. Der Umstand, dass der geldwerte Vorteil aus der Kfz-Überlassung nach der 1 %-Regelung ermittelt worden ist, steht dem nach dem jetzt veröffentlichten Urteil nicht mehr entgegen. Der BFH war demgegenüber bislang davon ausgegangen, dass vom Arbeitnehmer selbst getragene Kfz-Kosten nicht steuerlich berücksichtigt werden können, wenn der Nutzungsvorteil pauschal nach der sog. 1 %-Regelung (anstelle der sog. Fahrtenbuchmethode) bemessen wird.

Allerdings kann der Wert des geldwerten Vorteils aus der Dienstwagenüberlassung durch Zuzahlungen des Arbeitnehmers lediglich bis zu einem Betrag von 0 € gemindert werden. Ein geldwerter Nachteil kann aus der Überlassung eines Dienst­wagens zur Privatnutzung nicht entstehen, und zwar auch dann nicht, wenn die Eigenleistungen des Arbeitnehmers den Wert der privaten Dienstwagennutzung und der Nutzung des Fahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte übersteigen. Ein verbleibender „Restbetrag“ bleibt daher ohne steuerliche Aus­wir­kungen. Er kann insbesondere nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden.

Deshalb hat der BFH die Revision des Klägers im zweiten Fall (Az: VI R 49/14) zurückgewiesen. Der Arbeitnehmer hatte für die Privatnutzung des Dienstwagens an seinen Arbeitgeber ein Nutzungsentgelt von ca. 6.000 € geleistet, das höher als der nach der Fahrtenbuchmethode ermittelte geldwerte Vorteil (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) von ca. 4.500 € war und in seiner Einkommensteuererklärung den überschießenden Betrag bei seinen Arbeitnehmereinkünften steuermindernd geltend gemacht. Dem sind Finanzamt und FG entgegengetreten. Der BFH hat dies bestätigt.

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Deutsches Erbrecht diskriminiert nichteheliche Kinder

Der europäische Gerichtshof für Menschen­rechte hat am 09.02.2017, Beschwerde-Nr. 29762/10, ent­schieden, dass nichteheliche Kinder, die vor 1949 geboren worden sind, durch das deutsche Erbrecht diskriminiert werden.

Die deutsche Stichtagsregelung im Gesetz über die rechtliche Stellung nichtehelicher Kinder gibt nichtehelichen Kindern, die vor dem 01.07.1949 geboren worden sind und deren Vater vor dem 29.05.2009 verstorben ist, keine Rechte am Erbe des verstorbenen Vaters. Eine Erbberechtigung liegt nur im Erbfall der Mutter vor. Somit handelt es sich um eine teilweise Gleich­stellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern.

Diese Regelung war aufgrund einer früheren Verurteilung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 28.05.2009, Beschwerde-Nr. 3545/04, eingeführt worden. Damals war ent­schieden worden, dass die erbrechtliche Benachteiligung von vor dem 01.07.1949 geborenen nichtehelichen Kindern für diskriminierend gehalten wurde. In der hier zugrundeliegenden Entscheidung führt der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte aus, dass die Beschränkung auf Erbfälle ab dem 29.05.2009 eine Ungleichbehandlung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern darstelle, die gegen das in Artikel 14 EMRK geregelte Diskriminierungsverbot unter Berücksichtigung des in Artikel 8 EMRK geregelten Rechts auf Achtung des Familienlebens verstoße.

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Erbschaft als Betriebseinnahme

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 8/17, Pressemitteilung vom 07.02.2017, Urteil vom 6.12.2016,  Aktenzeichen I R 50/16

Erhält eine GmbH eine Erbschaft, ist der Erwerb für die GmbH nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Dezember 2016 I R 50/16 auch dann körper­schaft­steuerpflichtig, wenn der Erbanfall zugleich der Erbschaftsteuer unterliegt.

Im Streitfall betrieb eine GmbH ein Seniorenpflegeheim. Sie wurde mit notariell beurkundetem Testament von einem ledigen Heimbewohner mit der Auflage zu dessen Alleinerbin eingesetzt, das Erbvermögen ausschließlich für Zwecke des Heimbetriebs zu verwenden. Nach dem Versterben des Heimbewohners setzte das Finanzamt zum einen Erbschaftsteuer in Höhe von 300.510 € fest. Zum anderen erhöhte es den von der GmbH erklärten Gewinn um das ihr nach Abzug der Testaments­voll­streckungs­kosten verbliebene Erbvermögen von 1.041.659,65 € und setzte dementsprechend Körperschaftsteuer fest. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Der BFH bestätigte die Klageabweisung. Nach seinem Urteil verfügt die GmbH als Kapitalgesellschaft ertragsteuerrechtlich über keine außerbetriebliche Sphäre. Der Bereich ihrer ge­werb­lichen Gewinnerzielung umfasst sämtliche Einkünfte und damit auch Vermögensmehrungen, die nicht unter die Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes (EStG) fallen. Dies gilt auch für Vermögenszugänge aufgrund unentgeltlicher Zuwendungen einschließlich eines Erbanfalls.

Nach dem Urteil des BFH liegt keine verfassungsrechtlich un­zu­lässige Kumulation von Körperschaftsteuer und Erbschaft­steuer vor. Das Verfassungsrecht gebietet nicht, alle Steuern auf­ein­ander abzustimmen und Lücken sowie eine mehrfache Be­steue­rung des nämlichen Sachverhalts zu vermeiden. So ist es bei­spielsweise nicht zu beanstanden, dass der nämliche Gewinn sowohl der Einkommen- oder Körperschaftsteuer sowie zu­sätz­lich der Gewerbesteuer unterworfen wird. Dies gilt auch für eine Kumulation von Ertrag- und Erbschaftsteuer, wie die Mil­de­rungs­regelung des § 35b EStG verdeutlicht.

Der BFH verneint auch einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) im Hinblick auf eine unterschiedliche Behandlung von Erbanfällen bei natürlichen und juristischen Personen. Denn Art. 3 Abs. 1 GG enthält kein allgemeines Verfassungsgebot einer rechtsformneutralen Besteuerung. Es obliegt dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ob er die progressive Einkommensteuerbelastung gemäß § 32a EStG mit Rücksicht auf die Erbschaftsteuerbelastung der Einkünfte abfedert (§ 35b EStG) und ob sowie in welcher Form er diese Entlastung auf den linearen Körperschaftsteuertarif gemäß § 23 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (im Streitjahr: 15 %) erstreckt.

Schließlich verneint der BFH auch einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Im Streitfall kam dies bereits deshalb nicht in Betracht, da die Klägerin von der Gewerbesteuer befreit (§ 3 Nr. 20 des Gewerbesteuergesetzes) war und der Erbanfall deshalb insgesamt mit Erbschaft- und Körper­schaft­steuer in Höhe von lediglich 45 % belastet war.

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Kostümparty eines gemeinnützigen Karnevalsvereins kein Zweckbetrieb

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 9/17, Pressemitteilung vom 07.02.2017, Urteil vom 30.11.2016, Aktenzeichen V R 53/15

Ein von einem gemeinnützigen Kar­ne­vals­verein in der Karnevalswoche durch­ge­führ­tes Kostümfest ist kein Zweckbetrieb. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. November 2016 V R 53/15 un­ter­liegen die Einkünfte aus der Veranstaltung daher der Kör­per­schaftsteuer und die Umsätze dem Umsatz­steuer­regelsatz.

Kläger war im Streitfall ein eingetragener Verein. Er war mit seinem Satzungszweck „Förderung des Karnevals in seinem historischen Sinne“ als gemeinnützig gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 23 der Abgabenordnung (AO) anerkannt. Neben klassischen Karnevalssitzungen veranstaltete der Kläger seit vielen Jahren am Karnevalssamstag die Kostümparty „Nacht der Nächte“. Das Finanzamt (FA) ging davon aus, dass hierin kein Zweckbetrieb gemäß § 65 AO zu sehen sei und unterwarf daher die daraus erzielten Einkünfte der Körperschaftsteuer und die Umsätze dem Regelsteuersatz. Während die Klage zum Finanzgericht (FG) Erfolg hatte, hob der BFH auf die Revision des FA das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Nach dem Urteil des BFH fehlen alle Voraussetzungen für die Annahme eines Zweckbetriebs.

Die „Nacht der Nächte“ habe in ihrer Gesamtrichtung nicht dazu gedient, die satzungsmäßigen Zwecke des Klägers zu ver­wirk­lichen (§ 65 Nr. 1 AO). Dies setze voraus, dass der der Brauch­tums­pflege gewidmete Geschäftsbetrieb der Kulturförderung, nicht aber zur Förderung kommerzieller Ziele diene. Entgegen der Auffassung des FG umfasse das traditionelle Brauchtum in Gestalt des Karnevals nicht jede von einem gemeinnützigen Karnevalsverein in der Karnevalswoche durchgeführte gesellige Veranstaltung, die durch Kostümierung der Teilnehmer, musi­ka­li­sche und tänzerische Darbietungen sowie ausgelassenes Feiern geprägt werde. Erforderlich sei vielmehr, dass die Ver­an­stal­tung selbst durch Elemente des Karnevals in seiner traditionellen Form gekennzeichnet werde. Dies treffe auf die Veranstaltung im Streitfall nicht zu.

Zudem habe es sich bei der „Nacht der Nächte“ nicht um einen für die Vereinszwecke i.S. des § 65 Nr. 2 AO „unentbehrlichen Hilfsbetrieb“ gehandelt. Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine Kostümparty, bei der Darbietungen, die nicht im engeren Sinne karnevalistischer Art sind, einen wesentlichen Anteil ausmachen, das unentbehrliche und einzige Mittel zur unmittelbaren För­derung des Karnevals in seiner historischen Form sein soll. Schließlich scheitere die Annahme eines Zweckbetriebs auch an der Wettbewerbsklausel des § 65 Nr. 3 AO. Für den BFH war insoweit ausschlaggebend, dass eine Kostümparty während der Karnevalszeit auch von anderen Unternehmern veranstaltet werden kann. Zudem habe das FG selbst festgestellt, dass der Kläger in Wettbewerb mit nicht steuerbegünstigten kommer­ziellen Anbietern vergleichbarer Veranstaltungen getreten sei.

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BFH verwirft Sanierungserlass des BMF

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 10/17, Pressemitteilung vom 07.02.2017, Beschluss vom 28.11.2016, Aktenzeichen GrS 1/15

Die im Sanierungserlass des Bundes­mi­nis­te­ri­ums der Finanzen (BMF) vorgesehene Steuerbegünstigung von Sanierungs­gewinnen verstößt gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Diese Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. November 2016 GrS 1/15 ist von grundlegender Bedeutung für die Besteuerung insolvenzgefährdeter Unter­nehmen.

1. Rechtslage

Ein Sanierungsgewinn, der dadurch entsteht, dass Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise vom Gläubiger er­las­sen werden, erhöht das Betriebsvermögen und ist grund­sätz­lich steuerbar. Bis zum Veranlagungszeitraum 1997 waren Sanie­rungs­gewinne nach § 3 Nr. 66 des Einkommensteuer­gesetzes (EStG) a.F. in voller Höhe steuerfrei. Voraussetzung war die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens, der volle oder teilweise Erlass seiner Schulden, die insoweit bestehende Sanierungsabsicht der Gläubiger sowie die Sanierungseignung des Schuldenerlasses. Seit Aufhebung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590) ist ein Sanierungsgewinn demgegenüber grundsätzlich steuerpflichtig. Eine Steuer­be­frei­ung solcher Sanierungsgewinne kann nur durch Billigkeits­maß­nah­men im Einzelfall erreicht werden.

In dem Sanierungserlass, der sich auf die Billigkeitsregelungen der § 163 und § 227 der Abgabenordnung (AO) stützt, hat das BMF in einer allgemeinverbindlichen Verwaltungsanweisung geregelt, dass Ertragsteuern auf einen Sanierungsgewinn unter ähnlichen Voraussetzungen wie unter der früheren Rechtslage erlassen werden können (BMF-Schreiben vom 27. März 2003 IV A 6 S 2140 8/03, BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 6 S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18). Liegt ein Sanierungsplan vor, wird davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Prüfung im Einzelfall, ob persönliche oder sachliche Billigkeits­gründe vorliegen, findet nicht mehr statt.

2. Streitfall

Die Entscheidung des Großen Senats erging im Streitfall eines Klägers, der als Einzelunternehmer seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelte. Er war mit seinem Betrieb über mehrere Jahre mit Verlust tätig. Im Dezember 2007 verzichteten eine Spar­kasse und eine Bankengruppe auf „nicht bedienbare Forderun­gen“. Das für den Kläger zuständige Finanzamt (FA) berück­sich­tigte bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb auch die Forderungsverzichte der Banken in Höhe von ca. 620.000 € und setzte mit Steuerbescheid vom 17. Februar 2009 Ein­kom­men­steuer entsprechend fest. Der hiergegen eingelegte Ein­spruch hatte keinen Erfolg.

Der Kläger beantragte zudem den „Erlass der Steuern für 2007 aus dem Sanierungsgewinn“. Auch diesen Antrag lehnte das FA ab. Mit Einspruchsentscheidung vom 18. April 2012 entschied das FA, dass dem Kläger kein Billigkeitserlass nach dem Sa­nie­rungserlass zustehe. Es fehle insbesondere an einer Sanierungs­eignung, da der Kläger auch im Folgejahr einen Verlust erlitten habe. Die Klage zum Finanzgericht hatte keinen Erfolg.

Im Revisionsverfahren, dem das BMF beigetreten ist, legte der X. Senat des BFH dem Großen Senat die Frage vor, ob der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt.

3. Entscheidung des Großen Senats

Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH verstößt der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Dass Sanierungsgewinne der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegen sollen, hat der Gesetzgeber im Jahr 1997 ausdrücklich entschieden, indem er die bis dahin hierfür geltende gesetzliche Steuerbefreiung (§ 3 Nr. 66 EStG a.F.) abschaffte.

Der Finanzverwaltung ist es verwehrt, diese Gewinne aufgrund eigener Entscheidung gleichwohl von der Besteuerung zu be­freien. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, indem sie mit dem Sanierungserlass die Be­steue­rung eines trotz Ausschöpfung der Verlustverrechnungs-möglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinns unter Bedingungen, die der damaligen gesetzlichen Steuerbefreiung ähnlich sind, allgemein als sachlich unbillig erklärt und von der Besteuerung ausnimmt. Die im Sanierungserlass aufgestellten Voraussetzungen für einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen beschreiben keinen Fall sachlicher Unbilligkeit i.S. der §§ 163, 227 AO. Mit der Schaffung typisierender Regelungen für einen Steuererlass außerhalb der nach §§ 163 und 227 AO im Einzelfall möglichen Billigkeitsmaßnahmen nimmt das BMF eine strukturelle Gesetzeskorrektur vor und verletzt damit das sowohl verfassungsrechtlich (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) als auch einfachrechtlich (§ 85 Satz 1 AO) normierte Legalitäts­prinzip.

4. Bedeutung der Entscheidung

Der Sanierungserlass gewährte in wirtschaftlichen Schwierig­kei­ten befindlichen Unternehmen eine steuerliche Begünstigung. Dies beruhte darauf, dass die Gläubiger mit ihrem Forderungs­verzicht zu erkennen geben, dass sie die Unternehmens­sa­nie­rung für erforderlich und die ergriffenen Maßnahmen für erfolgversprechend halten. Das Bedürfnis für die Begünstigung wurde aus dem wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Interesse am Erfolg der Unternehmenssanierung abgeleitet. Wichtig war und ist dies insbesondere für insolvenzgefährdete Unternehmen.

Für den Erfolg des Forderungsverzichts als Sanierungsmaßnahme kommt es auch auf die Beteiligung des Steuergläubigers an. Denn der aus betrieblichen Gründen vom Gläubiger erklärte Ver­zicht auf eine betriebliche Darlehensforderung ist als Betriebs­einnahme beim Schuldner zu erfassen. Damit führt der For­de­rungs­verzicht zu einem steuerpflichtigen Gewinn. Die Be­steue­rung dieses Gewinns wird im Hinblick auf das mit dem For­de­rungs­verzicht verfolgte Sanierungsziel teilweise als proble­ma­tisch angesehen. In der Literatur wird zudem darüber disku­tiert, ob die Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne den Charakter einer europarechtswidrigen Beihilfe in Form einer Steuer­ver­gün­sti­gung aufweist.

Aus der Entscheidung des Großen Senats folgt nicht, dass Billigkeitsmaßnahmen auf der Grundlage einer bundesweit geltenden Verwaltungsanweisung generell unzulässig sind. Vorauszusetzen ist nur, dass in jedem davon betroffenen Einzelfall tatsächlich ein Billigkeitsgrund für die Ausnahme von der Besteuerung vorliegt. Die Entscheidung des Großen Senats steht auch nicht einem im Einzelfall möglichen Erlass von Steuern auf einen Sanierungsgewinn aus persönlichen Billigkeitsgründen entgegen.

Auf der Grundlage des Beschlusses des Großen Senats ist davon auszugehen, dass finanzgerichtliche Klagen auf Gewährung einer Steuerbegünstigung nach dem Sanierungserlass keinen Erfolg mehr haben werden. Unberührt bleiben individuelle Billig­keits­maßnahmen, die auf besonderen, außerhalb des Sanierungs­erlasses liegenden Gründen des Einzelfalls wie etwa auf persönlichen Billigkeitsgründen beruhen.

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Besteuerung von Stillhalterprämien und steuerliche Berücksichtigung des vom Stillhalter gezahlten Barausgleichs

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 4/17, Pressemitteilung vom 01.02.2017, Urteil vom 20.10.2016, Aktenzeichen VIII R 55/13

Zahlt der Stillhalter bei einem Options­geschäft einen Barausgleich, führt dies zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 20. Oktober 2016 VIII R 55/13 entschieden.

Im Urteilsfall hatte der Kläger vor und nach der Einführung der Abgeltungsteuer am 1. Januar 2009 Verkaufs- und Kaufoptionen auf den Dow Jones Euro-Stoxx-50-Index eingeräumt. Für die Übernahme der Verpflichtung, zum Ende der Laufzeit der Option die Differenz zwischen dem tatsächlichen Schluss­ab­rech­nungs­preis und dem Basiswert auszugleichen, erhielt er eine Still­hal­ter­prämie. Diese unterlag vor der Einführung der Ab­gel­tung­steuer der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 des Einkommen­steuer­gesetzes (EStG) und wird seit dem 1. Januar 2009 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG besteuert. Die steuerliche Berücksichtigung des vom Kläger nach Endfälligkeit der Optionen gezahlten Bar­aus­gleichs lehnte das Finanzamt (FA) ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.

Der BFH gab der Revision des FA statt. Zwar ist der Barausgleich entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung sowohl vor als auch nach Einführung der Abgeltungsteuer als Verlust des Still­halters aus einem Termingeschäft steuerlich zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts können jedoch Verluste aus dem Barausgleich für Optionen, die vor der Ein­füh­rung der Abgeltungsteuer eingeräumt wurden und unter die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung fallen, nur mit positiven Einkünften i.S. des § 23 EStG und mit Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 1 EStG verrechnet werden. Da die Kläger keine der­artigen Einkünfte erzielt hatten, war die Klage mangels Ver­rech­nungsmöglichkeit insoweit unbegründet. Dagegen können Ver­luste des Stillhalters, die unter die Neuregelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG fallen auch mit positiven Kapital­einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 EStG verrechnet werden. Insoweit hatte die Klage Erfolg, da die Kläger im Streitjahr derartige Einkünfte erzielt hatten. Der BFH sieht diese Ungleichbehandlung aufgrund des grundlegenden System­wechsels als verfassungsrechtlich gerechtfertigt an.

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Schadensersatz mindert nicht den Veräußerungsverlust aus Aktiengeschäft

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 5/17, Pressemitteilung vom 01.02.2017, Urteil vom 4.10.2016, Aktenzeichen IX R 8/15

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 4. Oktober 2016 IX R 8/15 ent­schie­den, dass nachträgliche Schadens­ersatz­zahlungen einer Wirtschafts­prü­fungs­ge­sell­schaft wegen fehlerhafter Bestätigungs­ver­mer­ke, die ein Anleger für Verluste aus Aktiengeschäften erhält, nicht die in früheren Jahren entstandenen Verluste aus dem Verkauf der Aktien mindern.

Im Urteilsfall hatten die Kläger in den Jahren 1999 bis 2002 Aktien einer Aktiengesellschaft (AG) erworben. Zuvor hatte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Jahresabschlüsse der AG geprüft und Bestätigungsvermerke erteilt. Aus der späteren Veräußerung der Aktien im Jahr 2002 entstanden den Klägern infolge eines Kurseinbruchs hohe Verluste, die das Finanzamt (FA) bestandskräftig steuerlich berücksichtigte. Im Rahmen eines zivilgerichtlichen Klageverfahrens, in dem die Kläger die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wegen fehlerhafter Bestä­ti­gungs­vermerke auf Schadensersatz in Anspruch nahmen, schlossen die Kläger mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Jahr 2007 einen Vergleich, der eine Zahlung der Wirtschafts­prüfungsgesellschaft von 3.000.000 € beinhaltete. Diese Zah­lung minderte nach der Auffassung des FA den aus der Ver­äuße­rung erlittenen Verlust. Daher änderte das FA den Verlust­fest­stel­lungs­bescheid. Die hiergegen gerichtete Klage der Steuer­pflichtigen vor dem Finanzgericht hatte Erfolg.

Der BFH hat die vorinstanzliche Entscheidung bestätigt. Nach dessen Urteil führte die Schadensersatzzahlung der Wirt­schafts­prüfungsgesellschaft wegen des fehlerhaften Bestätigungs­vermerks nicht zu einer rückwirkenden Minderung des im Jahr 2002 erlittenen Veräußerungsverlusts i.S. des § 17 des Ein­kom­mensteuergesetzes (EStG) oder des Verlusts aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Diese Leistung mindert beim Erwerber nicht die Anschaffungskosten der Anteile. Hat der Erwerber die Anteile bereits veräußert, erhöht die Zahlung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auch nicht den Veräußerungserlös.

Der Verlust i.S. des § 17 Abs. 1 EStG war im Veräußerungsjahr 2002 entstanden. Die erst nach vollzogener Veräußerung geleistete Schadensersatzzahlung war demgegenüber Gegen­stand eines selbständigen Rechtsgeschäfts, das nicht in unmit­tel­barem Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung stand, so dass die Zahlung nicht auf den Zeitpunkt der Verlustentstehung zurückwirkte. Ebenso wenig entfaltete die Schadens­ersatz­zahlung, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aufgrund einer eigenständigen Rechtsgrundlage leistete, Rückwirkung auf einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

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Ist eine Grundstücksschenkung unter Wohnungsrechtvorbehalt für die Pflichtteilsergänzung relevant?

Der BGH hat mit Datum vom 29.06.2016, Aktenzeichen IV ZR 474/15, entschieden, dass bei einer Schenkung eines Grundstücks unter Vorbehalt des Wohnungsrechtes an dem Grundstück oder Teilen daran, der Beginn des Fristlaufs gemäß § 2325 Abs. 3 BGB in Ausnahmefällen gehindert sein kann.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Erblasser verstarb im Jahre 2012. Er setzte seine Ehefrau als testamentarische Alleinerbin ein. Der Sohn B hatte 1994 das Hausgrundstück der Eltern erhalten. Dieses hatte drei Stock­werke, die Eltern behielten sich ein Wohnungsrecht in den Räum­lichkeiten im Erdgeschoss vor. Die unentgeltliche Nutzung des Gartens, der Nebenräume sowie aller Leitungen und Anlagen zur Versorgung des Anwesens mit Wasser, Wärme, Energie und Entsorgung sowie die Mitnutzung der Garage waren vereinbart. Darüber hinaus nutzten sie im Obergeschoss zwei Zimmer und zusammen mit dem Sohn das Bad. Geschlossene Wohnungen gab es nicht. Es wurde vereinbart, dass der Sohn weder ohne Zustimmung seiner Eltern das Grundstück veräußern noch Um- und Ausbaumaßnahmen vornehmen dürfe. Der Sohn war berechtigt, Grundpfandrechte bis zu einer bestimmten Höhe im Rang vor dem Wohnungsrecht zu bewilligen. Der weitere Sohn machte erfolglos seinen Pflichtteils- und Pflichtteils­ergän­zungs­anspruch aus dem halben Wert des Hausgrundstückes geltend.

Der BGH hält an der sogenannten Genussverzichts­recht­sprechung ausdrücklich fest. Nach § 2325 Abs. 1 BGB besteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung macht. Diesbezüglich findet gemäß § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Abschmelzung statt. Eine Schen­kung 10 Jahre vor dem Erbfall führt nicht zu Pflichtteils­ergän­zungs­ansprüchen gemäß § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB. Der Fristlauf beginnt erst dann, wenn der Erblasser seine Rechts­stellung als Eigentümer endgültig aufgibt. Ebenfalls muss er darauf verzichten, den verschenkten Gegenstand im Wesent­lichen weiterhin zu nutzen, sei es entweder aufgrund vor­be­hal­te­ner dinglicher Rechte oder aber durch Vereinbarung schuld­rechtlicher Ansprüche. Aufgrund dessen gilt gemäß der Recht­sprechung des BGH eine Schenkung als nicht geleistet, wenn der Erblasser auf den Genuss des verschenkten Gegen­stan­des nicht auch tatsächlich verzichten muss.

Wird der Nießbrauch bei einer Schenkung uneingeschränkt vorbehalten, wurde der Genuss des verschenkten Gegenstandes nicht aufgegeben. Ob dies nun aber auch für ein vorbehaltenes Wohnungsrecht gilt, ist nicht abstrakt beantwortbar. Dies­be­züg­lich ist eine Einzelfallentscheidung erforderlich. Der Fristablauf kann beim Wohnungsrecht ausnahmsweise gehindert sein. Maßgeblich ist, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss im Wesentlichen nutzen konnte. Der Erblasser muss seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgeben und darauf verzichten, den Gegenstand im Wesent­lichen weiter zu nutzen. Eine Schenkung gilt im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB als geleistet, wenn der Erblasser den Genuss des verschenkten Gegenstands auch tatsächlich entbehren muss.

Die Auswirkung der BGH-Entscheidung ist, dass dieser eine Gestaltung billigt, um Pflichtteilsansprüche zu vermeiden. Leben Erblasser und Kind gemeinsam im Haus, kann das Grundstück an das Kind verschenkt werden und der Erblasser kann sich ein Wohnungsrecht an den von ihm genutzten Räumen vorbehalten. Eine Abschmelzung findet statt. Nach 10 Jahren besteht kein Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr. Nach dem vorliegenden Urteil ist dies sogar der Fall, wenn sich für den Erblasser hier­durch nichts verändert.

Individuelle Fragen zu diesem und weiteren Themen im Erbrecht beantworten wir Ihnen gerne im Rahmen einer fundierten Beratung – sprechen Sie uns einfach darauf an.

Zuständigkeit der Familienkassen für Auslandsfälle

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 23/17

Mit Urteil vom 19. Januar 2017 III R 31/15 hat der Bundesfinanzhof (BFH) über die Folgen des Tätigwerdens einer unzu­stän­digen Familienkasse entschieden.

Die Bundesagentur für Arbeit hat die Zuständigkeit für Auslandsfälle bei bestimmten Familienkassen konzentriert. Danach ist die Familienkasse Sachsen bundesweit zuständig, wenn ein Anspruchsberechtigter oder ein Kind ihren Wohnsitz in Polen haben.

Im Streitfall hatte die Klägerin, eine in Berlin lebende und versicherungspflichtig beschäftigte polnische Staatsangehörige, Kindergeld für ihre in Polen beim geschiedenen Ehemann lebende Tochter beantragt. Die Familienkasse Berlin-Brandenburg lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass das Kindergeld dem Vater zustehe. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde nicht von der Familienkasse Berlin-Brandenburg, sondern von der Familienkasse Sachsen zurückgewiesen.

Das Finanzgericht hob die Einspruchsentscheidung auf und vertrat die Auffassung, der Ablehnungsbescheid der sachlich unzuständigen Familienkasse Berlin-Brandenburg regele lediglich, dass die Klägerin gegen diese Behörde keinen Anspruch auf Kindergeld habe; über Ansprüche gegen andere Kindergeld­kassen treffe der Bescheid keine Aussage.

Der BFH ist dem entgegengetreten. Die Zuständig­keits­an­ord­nung der Bundesagentur für Arbeit begründet keine sachliche, sondern (nur) eine örtliche Zuständigkeit ihrer Familienkassen. Der Ablehnungsbescheid war daher nicht nichtig und auch nicht aufzuheben, wenn keine anderen Rechtsfehler vorlagen. Die unzuständige Familienkasse Berlin-Brandenburg konnte auf den Einspruch hin entweder ihren Ablehnungsbescheid aufheben und den Antrag an die örtlich zuständige Familienkasse weiterleiten oder –wie geschehen– die Entscheidung über den Einspruch der zuständigen Familienkasse Sachsen überlassen. Die Ablehnung war auch materiell rechtmäßig, denn der in Polen lebende geschiedene Ehemann war vorrangig kindergeldberechtigt, weil er die Tochter in seinen Haushalt aufgenommen hatte.

Für weitere Fragen und Informationen zu diesem Urteil stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung – sprechen Sie uns einfach darauf an.
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